Antje Kröger | Fotokünstlerin

„Reisegruppe Strukturlos“ auf dem Weg in den Kreißsaal der TRÜMMER

Posted by on Mrz 18 2019, in Mensch

Trümmer Antje Kröger

TEXT: TOBIAS CRAIN

VIDEO: PAUL THOMAS

Eine kurze Beschreibung über eine Fahrt mit abwrackreifen Gefährt in eine Region des Regens mit allerlei lustigen, ergreifenden, spannenden und herausfordernden Zwischenfällen, die aber allesamt gut ausgehen (für fast alle, eine bekannte Person wird sterben, aber das war ein Versehen).

Unsere Reise begann schon einen Abend vorher mit dem Zusammentreffen der drei Protagonisten. Zuerst wäre da die Soon-to-be-Fotobuch-Autorin-im-Hier-und-Jetzt-aber-individuell-am-Limit-lebende-sich-nicht-als-fotografische-Dienstleisterin-sehende-Künstlerin-Antje, dann der talentierte Mr. Thomas (ein blutjunger Student des Lebens, liebevoll unter die Fittiche genommen von Antje und mit leichtem Druck und viel Nachsicht von ihr in ein Dasein hinter der Kamera eingeführt) und der letzte Teil dieses Triumvirats, meine Person, ein proletarischer Junkyard Dog, der irgendwie dazu kommt aus Wortbausteinen wie aus Ziegelsteinen windschiefe Gebilde zu zimmern, über die man mehr stolpert als schreitet. Die handelnden Personen sind also klar. Später stoßen noch Nebendarsteller dazu, die nur in diesem Text Nebendarsteller sind, für die Produktion, Gestaltung, den Entwurf der TRÜMMER spielen sie aber ganz klar Hauptrollen wie damals schon die Alliierten Streitkräfte in deutschen Städten. Ich werde sie zum Zeitpunkt ihres Auftretens ausgiebig würdigen.

Am Vorabend der Tour standen noch einige wichtige Besorgungen auf dem Plan. So waren wir noch im Süden Leipzigs unterwegs, um alte Schulkarten zu besorgen. Diese erfreuen sich ja einiger Beliebtheit als Wanddeko in Hipsterwohnungen. Meine persönliche Horrorkarte aus der Schulzeit ist die „Sowjetunion und angrenzende Staaten“. In meiner Erinnerung springt immer wieder eine Stunde des Geografie-Unterrichts vor mein geistiges Auge, in der ich von Frau Schulz aus meiner mittwoch-morgendlichen WWF-Magazin-Lektüre unter der Bank (die Wrestling-Liga, nicht die Tierschützer) gerissen werde und an dieser vermaledeiten Karte drei Nachbarstaaten zeigen soll. Diese seltsame Reaktion der Lehrerin als ich auf Polen zeigte und DDR sagte, kann ich mir nur mit eventuellen polnischen Wurzeln ihrerseits erklären. Meine damalige Ignoranz Polen gegenüber zog sich übrigens durch meine gesamte Schulzeit. In einer Arbeit zum 2. Weltkrieg passierte mir dieser Fauxpas nochmal. Bei mir gab es den Überfall auf Polen nicht, die Nazis sind sofort an der Westfront in die Vollen gegangen… Heute weiß ich aber Bescheid.

Nachdem wir die Karten geholt hatten, aßen wir zu Abend und es war nur einer der drei weise genug, sich zeitig schlafen zu legen (nein, der Fahrer war es nicht…) Die anderen beiden zogen es vor, sich noch stundenlang im Musikraten zu duellieren. Und da geschah etwas, dessen ganze Tragweite sich erst am nächsten Tag zeigen würde. Fatboy Slim wurde zum Sänger von The Prodigy gemacht.

Relativ pünktlich, wenngleich nicht ohne Rückschläge, fuhren wir in Richtung A14. Es war geplant, für die Westbevölkerung richtig schöne ostdeutsche Bäckerei-Produkte mitzubringen. Nur hatte der Ost-Bäcker unserer Wahl montags geschlossen. Selbst die Arbeitszeiten von damals haben sich gehalten. Beim zweiten Bäcker hatte sich hingegen die ostdeutsche Brötchenauswahl gehalten, 9 Uhr morgens und die Regale fast leer… für uns reichte es aber noch. Wenigstens das.

Mit vollem Tank und voller Übermut stürmten wir die Autobahn Richtung Westen. Unter Schmatzen, bei politischen Diskussionen und mit Begegnungen der dritten Art gingen die ersten Kilometer dahin. Wir wandelten uns von Totengräbern über Kuratoren zu Söldnern. Möglich gemacht durch unsere Fantasie beim Beruferaten. Nach einer Runde mussten wir aber verschnaufen, diese Jobs gehen ja doch ganz schön an die Substanz.

Wir überquerten (Achtung, politics inside!!!) die deutsch-deutsche Grenze, die Mason-Dixon Line, den Nullmeridian und den Ho-Chi-Minh-Pfad ohne Zwischenfälle. Wir gedachten allen Mauertoten, allen ehemaligen Sklaven und allen Vietcong mit einer Schweigeminute in Länge von 5 Minuten. Unterbrochen nur von unseren Hilfeschreien auf Autobahnbrücken, wenn der starke Wind von rechts unser kleines französisches Gefährt ergriff und auf eine andere Fahrspur hob. Das stieß auf wenig Gegenliebe bei unseren Mitautobahnnutzern, aber so ist das in einem Land, in dem die Straße eben das Wohnzimmer der Gesellschaft ist wie Wimbledon bei Boris Becker. Wie geht es dem eigentlich? Noch wichtiger: wann verbietet endlich jemand den Paparazzi Bilder von seiner Tochter zu machen? Und seit wann musste man eigentlich nicht mehr hübsch sein, um zu modeln? Und wann sterben endlich überambitionierte Mütter aus? Und wann wird Samenraub endlich salonfähig und wann endlich ersetzt die Besenkammer das Ehebett als Liebeshöhle endgültig? Und kennt eigentlich noch wer Ernst Eiswürfel? Ich komme vom Thema ab wie wir bei der Fahrt vom Weg… nicht wörtlich zu nehmen, wir erlaubten uns nur einen kurzen Exkurs zu einem schon westdeutschen Fastfoodriesen. Vorbei an zwei einladend „geöffneten“ Wohnwagen auf einem schlammigen Parkplatz fanden wir MickyD. Dort wurde dem Fahrer des Wagens und Schreiber dieses Textes ein Geschenk ohne Gleichen gemacht. Ein lilafarbener Luftballon mit Ronald McDonald Aufdruck. Leider kam nur verhaltene Freude auf, drum wanderte dieses Geschenk auch bald weiter zu einer Person, die am Entstehen dieser Story einen riesigen Anteil hat. Dieser Mensch freute sich auch ungleich mehr über den Ballon und es entstand daraus auch ein kurzes Gespräch über die Haltbarmachung von Helium-gefüllten Luftballons. Womit der moderne Homo sapiens eben so seine Zeit verbringt… Wir warfen uns also Burger und Cheesecake rein und verließen die standardisierte McD/Tankstellen-Idylle, um nach erneutem Passieren der beiden Wohnwagen die Frage zu erörtern, wer von unserer Besatzung schon einmal die Dienste einer Liebesdame in Anspruch genommen hat. Niemand – wie sich herausstellte. Wir alle erreichten bisher die Höhen der körperlichen Liebe durch unseren Charme, unseren Witz, unsere Geduld und wenn es sein musste: Gewalt. No Money needed in this case.

On the road again passierte wenig, nur Antje wurde nicht müde, uns bei jeder Stadt, die wir streiften mitzuteilen, dass hier ja der und der wohne und die dort. Sicher kennt sie in jeder Stadt, in der sie noch nicht war, mehr Menschen als sie in jener Stadt nicht kennt. Ob Wahrheit oder bloße Prahlerei… man weiß es nicht. Aber kennen und kennen sind ja zwei verschieden Schuhe. Ich kenne ja auch Leonardo da Vinci.

Die Gute Laune im Wagen wurde von einer Hiobsbotschaft, die uns zu einer Planänderung zwang, jäh zerstört. Eben noch hielten wir Ausschau nach M., dem Autobahnmeister, schon erreichten uns News, dass Antjes Brudi hat Spani in Augi und deshalbi Übergabi von Trümmi impossibili. Heißt im Umkehrschluss, mehr Zeit für Herford, Druckerei und Olaf Brandmeyer, Mastermind hinter den TRÜMMERN. Am Ende das Tages, soviel kann ich jetzt schon sagen, hat dieser Unfall ganz gut gepasst, entspannte sich doch unser Zeitplan so erheblich.

Mit dem Verkehr in der Region um Bielefeld nahm auch die Ungeduld im Auto zu. Und endlich kam unsere Abfahrt in Sicht. Was für ein Hades die deutschen Autobahnen doch sind, fällt immer erst auf, wenn man sie endlich verlassen kann. Schwarze, mit vier silbernen Ringen auf der Finne und aufblitzenden Augen, von hinten angreifende Eisenschweine, schlingernde Riesen mit Containern auf dem Buckel oder unter Planen versteckte Geheimnisse, bunte Kleinstlebewesen, die Krill-gleich versuchen ihren Platz im Konzert der Großen und Schnellen zu behaupten, Wunden der Straße, gekennzeichnet mit rot-weißer Absperrung, auf denen meist gelbe Chirurgen mit langen Armen toben und versuchen, die Oberfläche wieder herzurichten. Sie alle im Kampf miteinander vereint und in der ewig langen Arena eingepfercht von zwei silbernen nie endenden Bändern rechts und links. Zwar oft romantisiert, aber man kann im Angesicht all dieser Geradlinigkeit, dieser unterschwelligen Wut, dieses Rausches der Geschwindigkeit, dieses Kampfes um die Position in der Reihe nur Abneigung empfinden. Ein fiebriger Traum, die autofreien Sonntage während der Ölkrise…

Stundenlang sitzt man im Auto, Tage und Wochen vorher wartet man in Ungeduld und voller Sehnsucht auf den Moment, den ersten Blick auf das Buch; die erste Berührung, das erste Einatmen des mit Leim- und Farbduft geschwängerten Geruchs des Buches. (Natürlich kenne ich das nicht selbst, höchstens von der Erwartung des nächsten Amazon-Paketes…) Dann ist der Augenblick endlich da, man kann gar nicht alles aufnehmen, es geht so schnell und passiert so viel, man will es genießen und aufsaugen, doch stolpert nur von einem zum nächsten.

Erstmal wurden wir auf dem Parkplatz von Olaf und Marc, dem Inhaber der Druckerei in Empfang genommen und zur Pforte der Wiege der TRÜMMER geführt. Und da lagen sie auch schon. 150 TRÜMMER, nackt, ohne Schutzumschlag. Hier könnte ich zwar meine Empfindungen dazu schreiben, aber sollte nicht doch die Künstlerin selbst, die dies alles geschaffen und initiiert hat, die TRÜMMER-Mutter, schreiben was sie empfand? Hier kommt sie:

TRÜMMER gut, alles gut. Ein Jahr Arbeit. Daniel und ich. ICH und meine Fotografie. ICH und die Jungs. Welch ein Glück ich habe, mein bisheriges Leben zu krönen mit solch einem Werk. An diesem Tag jedoch konnte ich nicht so viel fühlen, wie ich wollte. Zuviel, von allem. TRÜMMER haben mich Demut gelehrt – ich kann gar nicht so viel Danke sagen, wie ich möchte. Es ist vielleicht wirklich wie ein Kind dieses Buch (vielleicht noch wunderbarer?), es ist aus mir heraus gekrochen mit so viel Unterstützung. Was es mich neben der Demut gelehrt hat? VERTRAUEN. Nicht in mich, das hatte ich schon immer, in die Anderen. Und nun werde ich belohnt, nicht nur an diesem Tag. Reicht der Worte von mir, ich habe doch schließlich an meiner Seite jemandem, der das viel besser kann. KUSS DU NUSS!

Tja, so ist das, wenn man endlich sein erstes eigenes Buch in den Händen hält. Und wenn das Produkt dann auch noch die Erwartungen übersteigt. Und das schon zum zweiten Mal in kurzer Zeit. Etwa eine Woche vorher bekam Antje schon ein kleines Büchlein in haptischer Form in die Finger, welches als kleine Zugabe für die TRÜMMER-Vorbesteller zusätzlich verschenkt wird, die Antje besonders unterstützt hatten. In diesem steckt übrigens noch, und das sei allen Fans ihrer Straßenfotografie gesagt, noch viel mehr Antje drin. Das ist ihre fotografische Liebeserklärung an die tschechische Stadt Brno. Aber nicht nur bebildert hat sie das Heftchen (Heft, Büchlein, Journal… nennt es, wie ihr wollt), nein, sie ist extra nach Charkow (Ukraine) geflogen, um den Text zu setzen und dem Buch so seine Form zu geben. (Klar, das wäre auch in ihrem Atelier in Leipzig möglich gewesen, aber hey, warum den einfachen Weg nehmen?) Aber zurück nach Herford. TRÜMMER überstieg das Gefühl des Brno-Heftes natürlich turmhoch. Vorher schon an Aufwand und Arbeitsintensität, und jetzt live in purer Schönheit. Vielleicht lässt sich das mit einer richtigen Geburt vergleichen? Die Mutter bekommt das Kind in den Arm und unter all dem Blut, Schleim, Geschrei, in aller Erschöpfung; Müdigkeit und Schmerz sieht sie doch nur die Schönheit des neuen Erdenbürgers. Nur ist das bei TRÜMMER etwas anders gelagert, TRÜMMER lag da vor uns auf dem Tisch in gnadenloser Perfektion. ABER: aus empfindlichen Materialien gefertigt, mit dem Ziel, dass man ihnen die (sicher häufige) Benutzung ansieht. TRÜMMER soll nicht in Schönheit sterben, sondern mit Makeln aufblühen. Jedes Durchblättern, jedes aus-dem-Regal-ziehen soll (und wird) seine Spuren hinterlassen. Die Ecken werden rund, der Schutzumschlag wird sich abnutzen, die Kanten werden nicht so scharf bleiben. Und das, liebe TRÜMMER-Besitzer, sollte euch Antje jemals besuchen, wird der Indikator dafür sein, wie intensiv ihr euch mit dem Werk auseinander gesetzt habt. Sollte Antje sehen, dass der Zustand noch unverändert ist, dann Gnade euch Gott (und Satan am Besten auch gleich mit). Lügen verbietet sich also. Denn, wen der böse Blick (auch imaginär) dieser modern-day Medusa trifft, der erstarrt nicht nur zu Stein, sondern der stirbt! Nur wenige Stunden zuvor wurde Keith Flint von ihr aus The Prodigy radiert, und tags darauf nimmt er sich das Leben… so, don’t piss this girl off!

Keiths Tod verdaut (manche von uns auch nur zur Kenntnis genommen, Olaf? Paul?), TRÜMMER genug bestaunt, mit Kaffee versorgt und mit Stift bewaffnet, ging es ans Signieren, Nummerieren und Einschlagen der Bücher. Die erste Position unserer Arbeitskette bekleidete die sich im Buch nackt machende Künstlerin höchstselbst. Autogramm und Nummer eintragend und dabei den Gesprächsfluss am Laufen haltend, verschrieb sie sich diverse Male, aber das sollte den Büchern nur noch größeren Wert bescheren. Wer eine ausgebesserte Nummer hat, darf sich glücklich schätzen. Wurde sie doch in einem Moment in der Hand gehalten, in dem Antje etwas abgelenkt war. Ihr seid also noch tiefer in der Seele der Künstlerin drin. An zweiter Position saß ich und schlug die Bücher ein und bestückte sie mit Daniels Karte inklusive seiner Unterschrift. (Sollte die Karte fehlen, blame it on me.) Auch Schadstellen am Schutzumschlag gehen auf meine Kappe, aber warum Vorsicht walten lassen, wenn das Buch durch Abnutzung doch erst richtig zum Leben erwacht? Zu guter Letzt nahm Grafiker Olaf Platz und packte die Bücher in die Umschläge. Auch hier ging es logischerweise nicht fehlerlos vonstatten. Olaf war so frei seine reservierte Wunschnummer 23 gleich mit zu verpacken… Wer also die Nummer 23 bekommen hat, fühlt euch frei bei Antje zu melden und einen eventuellen Gefangenenaustausch vorzunehmen. Falls ihr nicht möchtet, kein Problem, Olaf nahm es sportlich und entschied sich um. Seine neue Nummer bleibt aus Datenschutzgründen hier ungenannt. Akkurat an der Mauer gestapelt lagen sie da. 122 TRÜMMER in ihren Verpackungen, fertig zum Versand (alle anderen ins Auto verladen).

Nicht unterschlagen werden soll übrigens noch der Hefter. Ralf Vahlsing. Ein Mann, sich nicht zu schade, im Arminia Bielefeld T-Shirt aufzutreten, (Weißt du noch Ralf, die goldenen Zeiten mit von Heesen und Fritz Walter (dem mit dem Schnauzer), Uli Stein und Armin Eck. Da war plötzlich Champions League in einer Stadt, die es gar nicht gibt…) dem ihr, liebe TRÜMMER-Freunde, es zu verdanken habt, dass sich eure TRÜMMER um eine Woche nach hinten verschoben haben, (warum? Datenschutz!), der aber alles, wirklich alles mit seinen Händen aufgewogen hat. Aufgewogen? Eher veredelt. Und welch ein Glück, dass all diese Menschen irgendwie zusammenfanden und so entflammten für dieses Projekt und es bis zum glänzenden Abschluss begleitet, geprägt, geliebt und zu wahrer Größe gebracht haben. Und so wurden aus den TRÜMMERN, die vorher Antjes Leben und Arbeit waren ein schöner Schwan, den ihr jetzt alle in euren Händen halten, wiegen und riechen könnt. Manchmal kommt man einfach ans Ende seiner Möglichkeiten, Dank zu formulieren. Ich glaube Antje hatte diesen Punkt in der Druckerei irgendwann erreicht. Ich hab ihn jetzt erreicht, drum geht es weiter mit unserer Abfahrt aus Herford und Weiterfahrt nach Bünde, den Heimatort von Olaf, wo wir den Tag mit einem Frühstück ausklingen lassen wollten.

Auf dem Weg wollten wir noch ein Schnäppchen einsacken und Antje sollte nach einigen menschlichen Enttäuschungen bei ihrer Kundschaft etwas den Glauben an die Menschheit zurückgewinnen. Bei einem vergangenen Spieleabend wurde exzessiv und mit großer Leidenschaft Boggle gespielt, was dazu führte, dass Antje so ein Spiel besorgen wollte. Im Einzelhandel nur schwer und teuer zu erstehen, half eBay Kleinanzeigen weiter und leitete uns in Olafs Stadt. Zufälle gibt es… Der Verkäufer konnte leider nicht persönlich daheim sein, so deponierte er das Spiel an einem geheimen Ort in seinem Garten. Wir fanden sein Haus, seinen Garten, aber das Spiel anfänglich nicht. Nach einiger Sucherei stieß Paul doch noch auf das Päckchen in einer Real-Tüte unter einem Stein. Wir warfen Geld und Dankesschreiben in den Briefkasten und unsere Mägen halfen uns wie Feuerwehrsirenen die Straßen frei zu machen, sodass wir schnell in Olafs Bude und an den Tisch kamen. Seine Privatsphäre wird hier auch gewahrt, nur soviel, wir saßen und redeten und redeten bis wir irgendwann im Dunkeln saßen und es nicht merkten. Viel Spaß brachte neben einer von Olafs Katzen die Toilettenspülung. Und ganz abschließend noch eine kleine Polaroid-Session mit sehr ausgesuchtem Equipment im Arbeitszimmer. Ein kurzer, aber nicht wenig herzlicher Abschied mit Umarmung und Rückenklopferei und schon saßen wir im Auto und winkten Goodbye.

Völlig überladen, steuerten wir auf die Autobahn. Der Wagen schnaufte und kämpfte hart für jeden Meter. Schluckte eifrig Sprit und pumpte Abgase in die ostwestfalener Nacht. Um etwas Ausgleich zu schaffen für unsere Umwelt, und so wenige Autobahn-Insekten wie möglich zu töten, wurde die Fahrt ja extra in die Wintermonate gelegt. Zusätzlich fuhren wir die ganze Strecke nur mit einem Licht. Hohes Risiko, aber unsere Natur ist es uns Wert.

Ganz Zwischenfalls-frei kamen wir dann doch nicht durch. Paul, der Fotograf nahezu aller Bilder dieser Fahrt, hatte in einen Anfall von Verwegenheit das Fenster hinten links runter gelassen. Auf die harte Tour lernte er, dass man in einem Auto, gebaut vor Angela Merkels Amtsantritt, nichts grundlos bedienen und benutzen sollte. Denn, das Fenster machte lustige Sperenzchen, nur schließen ließ es sich nicht mehr. Und das auf der Autobahn bei 130… das Schlagen der Luft, die in unser Auto drängte und sich einen Kampf mit der Luft im Inneren lieferte, drangsalierte unsere Trommelfelle. Panik brach aus, wildes Geschrei, die Menschen kletterten über Sitze, rissen die Schwimmwesten kaputt, die Kotztüten wurden mit Allerlei körperlichen Ausscheidungen gefüllt, kurz, hell broke luce! Bis zur nächsten Ausfahrt hatte sich niemand beruhigt, aber jemand musste klaren Kopf behalten. Unter schwersten Bedingungen bog der Fahrer ab, manövrierte das sinkende Schiff (so fühlte es sich an… Titanic, Kindergarten!) in der Dunkelheit an den Straßenrand. Aber was tun? Gehässig hing das Fenster auf halber Höhe und bewegte sich mittlerweile gar nicht mehr. Voller Panik grölten die Passagiere nach ADAC, THW, Mama und Gott. Gewalt kann aber doch eine Lösung sein und so knallte der Fahrer die Tür 1x mit ganzer Kraft zu. Und siehe da: die Scheibe gehorchte. Wie geölt fuhr sie nach oben und blieb in verschlossener Position stehen. Alle genossen die Ruhe und schworen kurz darauf, die Tür nicht mehr zu berühren. Gefahr gebannt und weiter Richtung Heimat.

Ohne weitere Komplikationen fuhren wir 5 vor 12 in heimatlichen Gefilden ein. Bücher ausladen, nach oben schleppen, aufs Nachtlager fallen und sterben. Wir waren bereit dafür.

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