Antje Kröger | Fotokünstlerin

Wien (Januar 2023)

Posted by on Feb 01 2023, in Mensch, Welt

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// ÜbernachtSchlaflosfahrtvonLEipzig-nach-Wien, Busfahrt 76A, Friedhof der Namenlosen, Alberner Hafen in Bauhausoptik, Donau im kalten Boden-Morgen-Nebel, Museumsquartier zum Ersten und zum Zweiten, Kroatisches Super-Frühstück im Hipster-Bezirk, sonnengetränkter Himmel, Wiener Schmäh, Graffiti-Kunst und andere Graphiken an Giebeln und Häuserwänden, antike mechanische Standwaagen im öffentlichen Raum, Ukrainische Flüchtlinge, teure Caféhausbesuche mit wechselnden Angeboten, Klimt, Kokoschka, Schiele, Würstelstand, Tauben, den Opfern des Faschismus, Fenster Café, weihrauchgetränkte Orthodoxe Kirche, Tram-Fahrten, Regenspaziergang an der Donau, Club Flex als Fotokulisse, Herminengasse, Naschmarkt, Albertina, Basquiat, Picassos Friedenstaube, Paul Klee, Spiegellabyrinth im Edelcafé, Bosna, kaputter Winterprater, viel fleischliche Kulinarik, U-Bahnfahrten, Matzleinsdorfer Platz, Berggasse 19, Sigmund Freud, Man Ray, Psychoanalyse und Surrealismus, Freundetreffen, Judenplatz, Helmut Newton, Heilige Drei Könige, Shakespeare im Burgtheater, Der Mann der verwöhnt, Sonne zum Abschied, Busfahrt der Tränen //


Zwei Gründe gab es für unser Sein in Wien ganz am Anfang des Jahres. Zum einen existierte ein Versprechen, das ich gab auf einem meiner Fotoworkshops Ende 2021 zu einem Besuch in Österreichs Hauptstadt (danke Hans und Radek, ich konnte euch fotografisch etwas beibringen, ihr zeigtet mir sehr viel und große Menschlichkeit und den Genuss de Österreich!) Zum anderen wollte Jemand die Basquiat-Retrospektive in der Wiener Albertina besuchen. Bündelten wir also beide Gründe und machten uns auf den Weg nach Wien. Leider war keine gute Zugverbindung zu finden, nur eine Über-Nacht-Flix-Busfahrt. Das wollten wir „eigentlich“ nie wieder tun! Diese Schlaf-Los-Fahrt nach Genua steckte doch noch immer in unseren Gliedern. Aber worüber mensch so hinweg sehen kann, irgendwann! (Erinnert mich daran, dass meine Mutter gerne erzählte, dass ihre erste Geburt (von mir) so schrecklich war und schmerzvoll, so dass sie sich nicht vorstellen konnte, der Welt weitere Kinder zu schenken. Und? Sie wurde Mutter von Dreien!)

Also wieder eine lange Busfahrt durch die dunkle und manchmal auch sehr neblige Nacht, wieder träge, müde Knochen danach. Zwischendurch, irgendwo in der Nähe unseres geliebten Brnos, verfuhr sich der grüne Bus sogar. Die kurze Aufregung hielt, zumindest mich, zusätzlich vom Schlaf ab. Morgens um halb Acht spuckte unser Gefährt uns aus, am Stadtrand von Wien. Es war kalt und immer noch neblig. Gut, dass ganz oben auf der To-Do-Liste für unseren ersten Tag in Wien ein Friedhofsbesuch stand. Wir fuhren mit U-Bahn und Bus zum Friedhof der Namenlosen neben dem Albernen Hafen. Der Himmel glänzte blau, die Augenlider fielen immer mal wieder zu. Wir hatten noch nicht mal einen Kaffee getrunken. Aber Plan war Plan ist Plan. Ausgiebiges Frühstück stand erst an zweiter Stelle der Tages-To-Do-Punkt-Liste. Unsere Belohnung folgte auf dem Fuße. Das Licht, der Bodennebel, die Stimmung, die Stille. Denn mit all dem wurden wir beschenkt am Alberner Hafen (welch alberner Name) und auf dem kleinen Friedhöfchen. Wir stromerten herum mit unseren Reiserucksäcken auf den erschöpften Rücken. (Wie übrigens den ganzen restlichen Tag auch, weil wir erst am Abend in unserer Schlafstätte eincheckten.)

Erst Hafen, dann Friedhof, dann der Blick auf die Donau. Namenlos sind übrigens gar nicht alle „Grabsteine“. Mich schauderte eine Inschrift besonders:

Hier ruht

Wilhelm Töhn

Ertrunken

durch fremde Hand

am 1. Juni 1904 im

11. Lebensjahr

Der Wiener Friedhof der Namenlosen ist weltweit die einzige Begräbnisstätte für die Opfer eines Flusses. Von 1840 bis 1940 beerdigte mensch hier Ermordete, Unfallopfer, Opfer ungeklärter Kriminalfälle, angeschwemmte Wasserleichen, Hafenarbeiter, Selbstmörder*innen, ungewollt Schwangere. Heute schwemmt der Fluss fast keine toten Körper mehr an, denn sein Lauf wurde angepasst. Übrigens wurde auch der Friedhof immer mal wieder begraben unter Donau-Wassermengen. Es erinnert ein Kreuz an die 478 Gräber, die aufgrund von Überschwemmungen untergingen. Falls die Donau heute doch noch einmal eine Tote oder einen Toten ausspeit, beerdigt Wien die Leiche auf dem nahen Zentralfriedhof. Der Friedhof der Namenlosen wird ehrenamtlich betreut und gerne als Filmkulisse genutzt. 104 Gräber, davon 61 anonym, sind dort zu bestaunen. Ein atmosphärischer, wunderlicher Ort.


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Wien (Januar 2023)
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Wien (Januar 2023)
Wiener Friedhof der Namenlosen-wien_analog_agat18_halbformat-antjekroeger-reisefotografie
Wien (Januar 2023)

Tief im Schatten alter Rüstern
Starren Kreuze hier am düstern
Uferrand

Aber keine Epitaphe
Sagen uns wer unten schlafe
Kühl im Sand.

Still ist’s in den weiten Auen
Selbst die Donau ihre blauen
Wogen hemmt

Denn sie schlafen hier gemeinsam
Die, die Fluten still und einsam
Angeschwemmt.

Alle die sich hier gesellen
Trieb Verzweiflung in der Welle
Kalten Schoß

Drum die Kreuze die da ragen
Wie das Kreuz das sie getragen
„Namenlos“.

Namenlos… Wir treiben hier

Namenlos
Lied von L’Âme Immortelle

Wiener Friedhof der Namenlosen

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Wiener Friedhof der Namenlosen

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Wien (Januar 2023)

So viel Atmosphäre machte Hunger. Schon Tage vorher hatte ich nach einem besonderen Frühstückslokal Ausschau gehalten. Auf dem Weg dorthin begegnete uns so viel Schmackhaftes. Aber wir blieben straight beim Plan. Kroatische Lokalität im Hipsterviertel. Vor allem endlich der erste Kaffee. Und das Hipsterviertel geizte später auch nicht mit hübscher Kulisse für zwei Ver-rückte, die auf Straßenkunst stehen (Graffitis, Murals, Aufkleber uns so was…)

Während des Frühstücks wurde dann erst einmal wild der weitere Plan für den Tag durcheinander gewirbelt, denn Jemand wollte dann doch, wenn schon in Wien, Klimt, Schiele, Kokoschka sehen. Ich war ja schon ein paar Mal in der Stadt und verspürte wenig Lust auf die Künstler der Wiener Secession. Aber zum Glück ließ ich mich sehr schnell überreden. Denn unser Ausflug ins Leopold Museum war ein ganz besonderer Augen- und Fühlschmaus. So viel emotionsgeladene Kunstwerke unter einem Dach. Wahnsinn. Wir schafften kaum, alles zu erforschen und einzuverleiben. Und Jemand war ganz traurig, dass unsere Zeit im Museum so schnell verging, dass der Museumsshop beim Verlassen des Gebäudes schon geschlossen war. In meiner Serie „Snaga Lavova“ habe ich meine Wiener Kunsteindrücke verarbeitet…


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Wien (Januar 2023)

Überall stehen sie im Zentrum von Wien, antike mechanische Standwaagen. Hübsch anzusehen in allerlei bunten Farben. Mit 20 Cent wollen diese gefüttert werden. Aber was soll das denn? Sind die Wiener*innen alle auf Diät? Wird in Wien die Steuer nach Gewicht gezahlt? Gibt es Vergünstigungen, wenn mensch es schafft, die Anzeige zu sprengen?

Früher mussten noch andere Beträge in den Zahlschlitz geworfen werden. Erst drei Kreuzer, später zehn Groschen, dann ein Schilling, nun, wie schon erwähnt, 20 Euro-Cent. Die Waagen sind heutzutage einfach ein Zeichen dafür, dass Wien einst eine Kaiserstadt war. Schon damals stifteten die Waagen übrigens Verwirrung, denn die Einwohner*innen dachten, der „Automat“ spucke Schokolade aus. Dabei war die Personen-Waage zur Zeiten der Industrialisierung eine technische Neuheit, die dem Kaiser vorgestellt wurde. Wie das heute so mit der Genauigkeit der damals-Wundermaschinen ist, kann ich nicht sagen. Meine Geldbörse war leer und die „0“, die mir angezeigt wurde auf der hübschen roten, machte mich nicht unzufrieden nach dem üppigen Frühstück. Und ich hab so schon einige Waage-Geschichten in petto (davon abgesehen, dass ich eine Sternzeichen Waage bin), so dass ich einfach sage: Toi Toi Toi.


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Wien (Januar 2023) Foto: Tobias Crain
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Wien (Januar 2023)

Eigentlich ging es mir in dieser kurzen Episode „nur“ um die Taube. Erst mein zweiter Blick fiel auf „Sozialmarkt“ und der dritte auf die Dame mit feschem Käppi. Aber sie ließ mich nicht vom Haken und gönnte mir ein kurzes Gespräch mit ihr. Ihren Namen weiß ich leider nicht, aber ich weiß, dass ihre Heimatstadt Charkiw in der Ukraine ist, sie erzählte es ganz stolz. Sie sagte in gutem Englisch, dass sie Wien zwar sehr möge, aber sie sich so sehr nach der Heimat verzehre. Obwohl sie wisse, dass so Vieles zerstört wurde in ihrer Stadt. Ich hörte ihr ruhig zu. Und war emotional kurz im Jahr 2019. Damals besuchte ich das winterliche Charkiw. Im Maxim-Gorki-Park drehte ich Runden mit dem Riesenrad und blickte über die große Stadt im Osten der Ukraine. Ich mochte als Kind jede Riesenrad-Fahrt so gerne. Aber damals in Charkiw schwor ich mir, nie wieder diese Höhe. Ich fror. Die Gondeln standen „gefühlte Stunden“ an ihren hohen Positionen. Ich hatte Angst. Doch meine Höhenangst war und ist nichts gegen die Angst all der Ukrainerinnen, die im Exil ausharren. Niemals ihr Handy aus dem Blick lassend.


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Wien (Januar 2023)

Café Raimund. Dieser Spiegel. Dieses Blau. Ich dachte sofort. Hier war ich damals im Juli 2018 schon einmal. Zufällig kam ich hier auch mit Jemand im Januar 2023 vorbei. Wir tranken irgendwelche Kaffee-Spezialitäten und aßen Torte. Und dann schnappte ich meine Kamera und verschwand auf die Toilette. 4 1/2 Jahre später. „Ostdeutsche Dame in güldenem Spiegel vor leuchtendem Blau.“ Als ich damals in Wien weilte, die erste Station meiner Reise nach Krakau und Auschwitz, kannte ich Jemand noch nicht, unsere Wege sollten sich einen Monat später kreuzen.

Ein Selbstbild

Ein ewiges Träumen voll süssesten

Lebensüberschuss – Rastlos,-

mit bangen Schmerzen innen, in der 

Seele. – Lodert, brennt, wachst

nach Kampf, – Herzkrampf.

Wegen und wahnwitzig rege mit

aufgeregter Lust. – Machtlos ist

die Qual des Denkens, sinnlos, um

Gedanken zu reichen. – Spräche 

die Sprache des Schöpfers und

Gäbe. – Dämone! – Brecht die

Gewalt! –

Eure Sprache,- Eure Zeichen,-

Eure Macht.

Egon Schiele, 1910

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Wien (Januar 2023)
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Wien (Januar 2023)

Auch der nächste Tag war vollgepackt bis an den Rand. Los ging es mit einer Straßenbahnrundfahrt. Aus den Scheiben guckend, wo wir auf der Rückfahrt unbedingt heraus hüpfen würden wollen. Ich entschied das. Nämlich am Mahnmahl für die Opfer des Faschismus. Aber vorher noch eine Wurst am Stand. Der plötzliche Sturzregen ließ uns länger stehen bleiben am Würstelstand als vorgesehen und die Menschen beobachten um uns herum. Ein fescher Herr hatte eine Kette mit Sissi-Anhänger um den Hals. Er verkündete laut und in regelmäßiger Wiederholung, dass der Wetterbericht diesen Regen so aber nicht vorausgesagt hätte, natürlich im schönsten Wiener Singsang.

Irgendwann gingen wir weiter, den Regen noch lange im Schlepptau. Ich kehrte kurz in einer orthodoxen Kirche ein. Wollte eine Prise Weihrauch einatmen und mich erinnern an viele Kirchen-Momente in Osteuropa… Jemand kam hinterher, hatte aber sicherlich nicht den selben Emotionsmoment wie ich. Danach endlich das aus der Straßenbahn erhaschte Mahnmal. Noch immer tröpfelte es vor sich hin, und alle Tauben der Stadt saßen stur auf den Oberleitungen fest. Jemand scheuchte das Vogelvolk auf. Er kannte sich ja aus. Sein Alter Ego: der Rabenvogel.

Ein romantischer Donauspaziergang? Nicht mit uns. An der Donau spazieren zu gehen im Regen, ist die bessere Challenge. Dabei immer mal stehen bleiben, um sich gegenseitig in der fotografischen Selbst-Inszenierung zu übertrumpfen. Besonders gut klappte das vor dem Club Flex. Lauter leere Einkaufswagen und Wandbemalungen luden zum fotografischen Spiel ein. Und wir sind ja zwei Spielkinder, Jemand und ich.


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Wien (Januar 2023)
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Viele Worte werden wir zu diesem Stück nicht machen. Es ist einfach so passiert, weil das Leben einfach so passiert. Wir möchten auch explizit keine Triggerwahrnung aussprechen. Denn das Leben tut dies sowieso nicht. Januar 2023. Wir fühlen dich.
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Wien (Januar 2023) Foto: Tobias Crain
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Das Kunstwerk „Herminengasse“ am nördlichen Ausgang der U-Bahn-Station Schottenring beeindruckte mich wohl an diesem Wien-Tag am nachhaltigsten. Ich mag Kunst im öffentlichen Raum sehr und bin immer wieder erstaunt, wie sie verschmelzen kann mit dem jeweiligen Moment, den die Rezipientin mit ihr erleben kann. (Diese synchronen Zwillingsmädchen lassen mir beim Betrachten meiner Fotografie ein Schauer über den Rücken laufen!)

Die Installation aus dem Jahr 2017 von Michaela Melián ist den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus gewidmet, die zwischen 1938 und 1945 vor ihren Deportationen in der Herminengasse im 2. Bezirk lebten (geschätzt 800). An beiden Tunnelseiten zeichnet die Künstlerin Einzelschicksale in Linien nach, die von den Wohnhäusern in der Herminengasse zu den verschiedenen Konzentrationslagern führen.


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Am frühen Nachmittag war es endlich soweit. Jemand und ich betraten DIE Albertina, um endlich DIE Basquiat-Ausstellung zu besuchen. Kurz vor Ende der Schau in Wien. Kein Wunder also, dass es so unglaublich voll war. Ich glaube, so eine menschenüberlaufende Retrospektive erlebte ich das letzte Mal in Berlin, Frida Kahlo, 2010 im Martin-Gropius-Bau. Wie war es? Für mich? Schon mehrmals in meinem Leben beschäftigte ich mich mit Jean-Michel Basquiat, das erste Mal in Verbindung mit Madonna. Im letzten Jahr wieder etwas ausführlicher because of a fanboy on my side. Eine beeindruckende, aber traurige Künstlerpersönlichkeit. Ein Mensch aus dem Leben gerissen mit 27 Jahren. Ein Mensch schwarzer Hautfarbe, der all die Qualen seines Lebens auf Leinwände und andere Untergründe brachte. Viele Qualen, viele Informationen. Viele Hinweise. Viel viel viel. Ich ließ es auf mich wirken, ohne es intellektuell zu hinterfragen. Ich mag seine monochromen Werke doll, obwohl seine Farbwahl so bestechend schön ist. Und ich mag das Spiel zwischen Wort und Bild. Kommt mir irgendwie bekannt vor. Auch das mit den Qualen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nach Basquiat erst einmal Kaffee und Kuchen im Museum. Erholung brauchten vor allem auch meine Füße. Und manchmal gibt es in Museen auch besondere kulinarische Highlights (ich erinnere mich an die Pinakothek in München und die leckere Schlammtorte). Das war hier leider nicht so, aber das Spiegellabyrinth auf der Toilette des Museumscafés hatte es in sich. Das eigene Konterfei unzählige Male beim Pullern zu beobachten, schon speziell, aber lustig. Nach unserer Pause noch mehr Albertina, Picasso, Klee und Chagall sind mir besonders in Erinnerung. Und dieses Mal war es wichtig, vor der Schließung im Museumsshop zu sein. Jemand musste schließlich Fanboy-Erinnerungen shoppen. Ich setzte mich auf eine Bank und wartete ab, bis er seine Auswahl getroffen hatte.

Nachdem wir das Museum endlich verlassen konnten, stellten wir uns an, an die Schlange am Würstelstand, um eine Bosna zu verköstigen (ähnlich einem Hotdog: Bratwurst, Zwiebel und Curry eingewickelt in Brot ach und Koriander, aber nicht bei mir, denn ich finde Koriander abscheulich!) Die Wurst vom Anfang des Tages war viel besser, da waren wir uns einig und setzten uns in die U-Bahn, um einen kurzen Abstecher zum Winter-Prater zu machen. Vor ganz ganz vielen Jahren, als junges, junges Mädchen fuhr ich einmal mit dem hiesigen Riesenrad dort. Wir fragten zumindest mal nach dem Preis im Jänner 2023: 13,50 Euro pro Person. Darüber kam ich den ganzen Abend nicht hinweg. (Das Riesenrad in Charkiw kostete 2019 einen oder zwei Euro oder etwas dazwischen.) Wir tranken eine heiße Schokolade und einen Punsch, dann machten wir uns schnell wieder auf den Weg zurück in das Innen der Stadt. Noch ein kurzer Abstecher in den nächtlichen Stephansdom mit Vollmond über dem Dach und ein paar letzten Orgelklängen und schon ließen wir einen vollen Tag ausklingen.


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Wien (Januar 2023) Foto: Tobias Crain
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Am nächsten Morgen erkundeten wir als erstes die Gegend, in der wir nächtigten dieser Tage in Wien. Jemand and me fanden es schade, dass dafür so wenig Zeit blieb, denn wie sollte es anders sein. Der Tag war fett gepackt mit unzähligen Plänen. Angestrebter Anfangs-Ort, die Berggasse 19, das Sigmund-Freud-Museum. Ein echter Geheimtipp Wiens. Liebevoll, informativ, künstlerisch, überraschend, emotional. In meiner Serie „Schwarze Gardinen“ schrieb ich bereits etwas zu Freud und meiner Faszination für ihn und seine Familie.

Anschließend machten wir uns schnellen Schrittes auf zur Verabredung mit den Lokalmatadoren Hans und Radek. Zusammen sahen wir uns die Helmut-Newton-Ausstellung im Kunstforum an. Eine Schau kreiert zusammen mit der Helmut Newton Stiftung Berlin zum 100. Geburtstag des Fotografen. Die meisten Werke kannte ich schon aus Berlin, spannend fand ich das gemeinsame Erkunden und Rezipieren mit meinen ehemaligen Workshop-Teilnehmern und Jemand. Und die gemeinsame Diskussion anschließend. Aber vorher besuchten wir noch den Judenplatz. So viel beklemmende Leere, so viel stille Trauer. So unscheinbarer Hinweis auf großes Verbrechen. Ich war schon an so vielen dieser Plätze des Gedenkens, und mein Herz hört wirklich niemals auf, schwer zu sein. Schwer ob des grausamen Schicksals der Juden und Jüdinnen …

Bevor Jemand und ich den letzten Punkt des Tages abarbeiten würden, ein Besuch des Burgtheaters (Shakespeare in PINK), besuchten wir mit Radek und Hans ein paar Stunden lang eine typische Wiener Lokalität und genossen uns und den Wein und großartiges lokales Essen. Kurz unterbrachen uns dabei die Heiligen Drei Könige. Es war schließlich der 6. Januar. Danke Hans und Radek, für Wien und alles andere…


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Wien (Januar 2023) Foto: Tobias Crain
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Unser letzter halber Tag in Wien war angebrochen. Unsere Nacht kurz, eine kleine Aufgeregtheit spürbar. Die Sonne schien. Goodbye Wien für dieses Mal. Danke für so viel Kunst, Essen, guten Kaffee, herrliche Gespräche, wunde Füße, sich-manchmal-wie-Sissi-fühlen, für Albernheit und Ernst, für Traurigkeit und Kaputtsein. Für Sonne und Regen, so viele wunderbare Fotomotive. Zum Schluss ließen wir uns von Der Mann der verwöhnt, noch einmal kulinarisch verwöhnen, bevor wir uns an den Rand der Stadt aufmachten, um unseren Bus zurück nach Leipzig zu nehmen. Diese Busfahrt schließe ich in den Tresor meines Herzens ein. Klimt, Schiele, Kokoschka würden sich wundern, welche emotionale Kraft so eine Fahrt über Beton-Autobahnen in die Heimat entwickeln kann. Mit einer Träne im Knopfloch!


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