Not-Luft
Posted by Antje Kröger Photographie on Jun 26 2024, in Mensch
Diese Serie entstand während meines Fotoworkshops „Meisterklasse“, mit dem Thema: Identität. Die nächste Meisterklasse findet im Januar 2025 statt. Alle Informationen zu meinen Fotografischen Workshops HIER.
In einem Raum ohne Ecken und Wände, einem endlosen Labyrinth aus Grau, kämmt eine Gestalt das Haar vor einem Spiegel, der kaum etwas zurückwirft. Die Bewegungen sind mechanisch, als ob der Körper ein Eigenleben führt, losgelöst von dem, was einst Geist genannt wurde. Luftnot füllt die Lungen mit einer unsichtbaren Last, Gedanken sind gefangen im Gefängnis, welches keine Gitterstäbe braucht. Erinnerungen, trügerisch und unbestimmt; war die Gestalt einst Mensch oder Tier? Wer ist sie jetzt? In Träumen erscheint sie als Insekt, das über den Boden kriecht, ringend nach einer Freiheit, die nicht existiert. An diesem Tag, der keiner ist, kämmt sie besessen das Haar, das sich in feine Fäden verwandelt und über den Körper kriecht. Der Spiegel zeigt plötzlich ein fremdes Antlitz, Augen werden zu leuchtenden Punkten, die Haut zu einer harten Schale. Die Gestalt greift nach Atem, ihre menschliche Form zerbricht wie dünnes Eis. Eine Schattenfigur erscheint, stumme Augen und ein stummes Lächeln. „Du bist Niemand“, hallt die Stimme, die von allen Seiten zu kommen scheint. „Du bist ein Niemand.“ In dieser Erkenntnis fühlt die Gestalt eine tiefe Demut für die verlorene Identität, für das, was nie war und doch immer gewesen ist. Sie erkennt, dass sie in einem Kerker aus Fleisch und Gedanken eingeschlossen war, und dass diese einander durchdrangen. In ihrem Inneren breitet sich ein blendendes Weiß aus, das die Sinne überflutet. Die Atmung wird ruhiger, der Körper leicht. Das Wesen schließt die Augen und lässt sich in das innere Weiß fallen, wo keine Grenzen und keine Identitäten existieren. Reine Existenz.
dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith
Todesfuge BY PAUL CELAN
„Wenn ich nicht ohnehin schon das Menschsein verlernt hätte, dann hätte ich heute etwas Gutes zu essen gehabt.“
Franz Kafka 1915
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