Antje Kröger | Fotokünstlerin

Gewesenheit

Posted by on Apr 15 2024, in Mensch

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Das Zeitgefühl

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Emil Heinrich du Bois-Reymond (1818-1896):
Ignoramus et ignorabimus (Wir wissen es nicht und wir werden es niemals wissen.)

David Hilbert (1862-1943):
Wir müssen wissen. Wir werden wissen.

Peter Bieri (1944-2023):
… solange wir die Antwort nicht kennen, haben wir etwas Grundlegendes an unserem Subjektsein nicht verstanden.

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Sie zeigt mir ihre blauen Flecken. Die Male auf heller Haut bilden einen interessanten Kontrast. Ich spiele mit dem Strahl des Lichtes, richte ihn auf sie. Ihr langes Haar windet sich. Die Körbchen ihres Leibchens plustern sich auf, genau wie das Gefieder von Quimper, der heute kopfüber an der Leiter schwebt. Die Klammern halten sonst den nassen Film fest, den ich entwickle. Heute hängen sie bunt aufgereiht ohne Funktion an der Leine. Buntes Plastik aus Zone-Zeit, das Zuhause ein Beutel in Matroschka-Form in Hellgrün. In der Leder-Aktentasche hausen analoge Negative der vergangenen drei Monate in Hüllen geschoben, ordentlich beschriftet. Ein bunter, nach der Entwicklung leer gebliebener Filmstreifen windet sich um eine Sprosse. Später bindet dieser Streifen ihr Leibchen. Die Trockenblumen sind in einer zerbersteten Glasflasche drapiert. Sie besitzen bereits Fotografie-Erfahrung. Licht und Schatten verbinden sich, Zeit und Schatten auch. Schatten-Licht-Zeit.


Der Zeitturm

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Gewesenheit

Als ich den kleinen braunen Sowjetkasten in einer Antique-Hütte an einer Jerewaner Hausecke entdeckte, wollte ich ihn sofort haben. Der Hübsche ohne kleinen Weck-Zeiger. Gekostet hat er mich zwei US-Dollar. Natürlich hab ich mit dem Alten, der ihn verkaufte, gehandelt. Dass der Zeiger für die Zeit zum Aufstehen fehlte, und damit die Funktion dieses Kastens ad absurdum geführt war, bemerkte ich erst, als ich längst wieder zu Hause war. Trotzdem schenkte ich ihm Energie in Form einer großen Batterie. Seitdem tickt er unaufhörlich, Tick-Tick-Tack und zurück. Die „richtige“ Zeit jedoch zeigt er niemals an. Charmanter schöner Kasten ohne Funktion. Ich liebe dich. Genauso wie deine rote Schwester. Die italienische Condor-Wanduhr. Auch aus einer Hütte voller alter Kostbarkeiten. Andere Himmelsrichtung nur. Ein Geschenk meiner Palermo-Reisebegleitung. Ich verguckte mich sofort in ihr rundes Rot. Deshalb ging sie schnell über in mein Besitz. Wieder angekommen in heimatlichen Gefilden, fütterte ich auch sie mit Energie. Doch ihre Zeiger blieben träge im Modus des Stillstandes. Bis heute. Runde Schönheit ohne Funktion. In meinem Turm der Zeit spielst du eine gewichtige Rolle.


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Der einzige Grund, weshalb Zeit existiert, ist, damit nicht alles auf einmal passiert.

Albert Einstein (1879-1955)

Das Zeitspiel

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Ich sah B das erste Mal auf dem Bahnsteig von W. Er hatte seine nackten Füße in Sandalen gesteckt. Es war aber doch erst April. Viel zu kalt dafür. Nach dem Einsteigen in den Zug saßen wir vom Zufall bestimmt nebeneinander. Noch wechselten wir kein Wort miteinander. Am nächsten Bahnsteig warteten wir nebeneinander sitzend auf den nächsten Zug. B war „alt“. Vielleicht 70. Oder 71 oder 72. Er hatte einen weißen Bart, wache Augen, Hörgeräte in den Ohren. Seine Pfoten waren die eines Arbeiters, die Fingernägel schwarz, er schleppte einen lila Reiserucksack auf dem Rücken, sein Körper war stark, muskulös und ohne Fettpolster. Irgendwann sprachen wir wie selbstverständlich miteinander. Es stellte sich heraus: zwei Mecklenburger aus Sachsen auf Heimatbesuch. Er Schwerin-Geborener, ich Güstrow-Geborene. Unsere Verbindung: Lübz-Aufenthalt. Er verbrachte seine Kindheit dort, ich meine Jugend. Wir besuchten sogar dasselbe Schulgebäude zu sehr unterschiedlichen Zeiten und in verschiedenen politischen Systemen. Zeit war unser Thema. B erklärte mir, dass es diese nicht gäbe. Dafür Bewegung. Ich hörte aufmerksam zu. Unser Ziel kam dazwischen. Wir mussten aussteigen. Er nahm mich Mädchen in den Arm. Auf Wiedersehen.

Ich war so angetan von meiner Reisebegegnung, dass ich der Heimat davon erzählte. Dass ich B noch einmal wieder treffen würde, hielt ich für ausgeschlossen. Doch der Zufall wollte dies. Auf der Rückfahrt nach Sachsen saß B wie von Zauberhand auch in „meinem“ Zug. Wir schnatterten ununterbrochen miteinander, bis ihre verschiedenen Sachsen-Ziele B und A wieder trennten. Unsere Themen waren Gerechtigkeit, Sucht und die Energie zwischen Mann und Frau. Als wir uns am Bahnsteig Lebewohl sagten, drückten wir uns fest.


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