Kampf der Hüllen der Figuren
Posted by Antje Kröger Photographie on Jan 06 2021, in Mensch
Text: Tobias Crain
Der Vorabend des Heiligen Abends war ihr vorletztes Treffen in diesem seltsamen und ach so langen Jahr. Die junge, sich immer im Aufbruch befindliche, kleine Petite, der Vogeltyp mit den silbernen Haaren auf dem Rücken plus das unsichere zu Sicherheit neigende Geschöpf mit dem schnellen Hass auf der Zunge und der sehnsüchtigen Liebe im Herzen. Ihr Treffen am Rande der Illegalität in diesen gezwungen ruhigen und aufrührerischen Zeiten. Einen Plan gab es nicht für diese Zusammenkunft. Eine Feier der Verschiedenheit, vereint in bunten Farben. Geplant war das nicht. Das seltsame Werk einer Frottee-Fee aus Großschönau brachte neben Alkohol und vielerlei ätherischen Düften eine Verbindung zustande, die in dieser Form neu war für alle drei. Es ging eine ungewöhnlich starke Anziehungskraft von diesem – sonst eher abstoßend wirkenden – Unterkleid aus. Der Frottee war für angebliche Neuware ungewöhnlich rau. Rau, aber auch seltsam passig und anschmiegsam an ihre Schöße. So trugen sie die neue Kleidung und gefielen sich, trotz des ungewohnten Anblicks, gar sehr. Jeder für sich probierte verschiedene Bewegungen und Posen vorm Spiegel und vor den anderen. Die Vogeltype stolzierte und fühlte sich prächtig. Solche Auftritte liebte er. So ungrazil wie er umher stolperte, umso mehr wuchs sein Jizz. So sicher sich das dritte Wesen in seinem Hass war, so unsicher war es im rauen Frotteehöschen. Ihm gefiel überhaupt nicht, was es sah bei sich selber, dafür umso mehr, wie die kleine Petite wirkte. Sie stand so sicher auf ihren zwei dünnen Beinchen. Was sie sonst so ausmachte, war nicht mehr klar auszumachen. Das Gebilde ihres Körpers stand noch dort, wo sein Blick hinfiel, doch der Vogeltyp spürte ebenfalls ihre Transzendenz.
So kämpfte jeder mit seiner Position im Raum, auf der Bühne, im Käfig. Die Käfigtür öffnete sich einen Spalt, die Bühne der Komik verengte sich zur Regentonne und der Raum platzte aus seinen Nähten. Das hatte die Frottee-Fee gut eingetütet. Sie betrachtete ihr Werk: Wie die Drei, jede auf seine Weise, den Raum vermaßen. Jedes für sich, dann Allianzen schmiedend, Bündnisse bildend, die sich zu bilden gar nicht lohnte, Kämpfe austragend, die viel mehr Schmeicheleinheiten gemahnten. Spielend wie Kinder, als wäre Spielen nur den Kindern vorbehalten. Forschend wie Europäer, als wäre Forschen nur den Europäern vorbehalten. Umherschwirrend wie Geister, als wäre das nur den Geistern vorbehalten. Sich prügelnd wie die Straßenjungen, als könnten nur die Jungen der Straße einstecken wie austeilen.
Aus Clownerie wurde Dreiklang. Bei dem jede sein Feld beackerte, nie lag eines brach. Schüchternheit gebar Verlangen, undefinierbar, diffizil. Abgebrühtheit entstand aus zielführender Ziellosigkeit. Die drei Figuren in der Raummitte gaben ab und nahmen auf, gaben auf und nahmen ab. Schwommen, flossen, siedeten. Verschwammen, flossen ab, erodierten. Marodierten moderat im Anderen.
Veränderung, Verdrängung, Verbrüderung.
Alte Teile, die sich neu bündeln. Alte Seelen, die sich neu erschaffen. Frottee-Fee, wenn das der Plan war, gut gelungen, so ganz ungezwungen. Innerlichkeiten verwoben sich. Innereien, gegenständlich oder geistig, wirbelten in fremder Hülle, stießen vor neue Grenzen und verschoben sie, wo es ihnen möglich war, bis an die Ränder des Menschenmöglichen. Die Hüllen aber, die sie umgaben und teils auch fesselten, rieben sich aneinander, berührten sich zwangsläufig, bei diesem Schieben und Drängen. Oberflächen berührten sich, schmatzten, wenn sie sich wieder lösten. Bestimmte Stellen kreischten bei Kontakt. Anziehen, abstoßen. Anecken, reiben. Zaghaft, aber mit Bestimmung. Kleben bleiben, standfest abgleiten. Fusseln, Splitter, Späne, Krumen.
Aus Haut wird Abrieb. Drei Klangfarben wollen sich bilden, binden sich aber nur gegenseitig. Objektiv, im Lichte klingen sie ganz eigen, einzigartig einzig. Der Staub im Sonnenstrahl, tanzt zu seinem eig’nen Klingen und färbt spektakulär spektral die Körper unter sich. Bis nun der Frottee-Fee die Lust vergeht, sie den dunklen Mantel hüllt über Szenerie und unsicheres Geschöpf, über Petite und Vogeltyp. Die Farbe wird geschluckt, wie auch der Enthusiasmus und die Neugier, so bleibt bei Nacht ein jedes Wesen bunt.