Antje Kröger | Fotokünstlerin

Chi dorme non piglia pesci

Posted by on Jul 26 2022, in Mensch

Chi dorme non piglia pesci_Antje Kröger_fotokunst

Manchmal ziehen Fischchen ihre Kreise ziemlich weit, zum Laichen legen sie nämlich Kilometer um Kilometer zurück. Der Schwarm bewegt sich, immer. Macht Strecke. Keine Energie rausnehmen, mit Volldampf voraus. Wer steht, der geht. Oder so ähnlich. Auch meine Fischchen haben eine interessante und lange Reise hinter sich. Nicht zum Laichen sind sie nach Mitteldeutschland gekommen. Nein. Nur auf Wunsch einer einzigen Dame. Weil sie sich in dieser kleinen August-Mittagsgasse Camoglis schockverliebte in diese herrlichen Tierchen. Das trug sich so zu: Die Inhaberin eines kleinen Trödelladens in dem Strandörtchen in der Nähe Genuas hatte die Jalousien noch nicht heruntergelassen, und so konnten zwei sächsische Menschen in dieser Wunderkammer herumstöbern. Erst zog ein Schmetterling meine Aufmerksamkeit auf sich, die Frau mit gebrochenem Arm erzählte die Geschichte zu diesem hübschen Stückchen. Ich erinnere mich nur an Schiffe, die aus fernen Ländern nach Genua gekommen waren… Dann sah ich sie. Die Fische. Ein Stich in mein Herzchen. Punctum. Barthes hatte Recht. Mensch bemerkt diese Einzigartigkeit von Berührung. Ich traute mich nicht, nach dem Preis zu fragen. Der Traum sollte nicht so schnell platzen. Meine Begleitung nahm dies in seine professionellen Hände, zückte die Kreditkarte und los. Nein. So war es nicht. Die Frau in der Wunderkammer war äußerst wunderlich. Ich wollte die Fischchen in all ihrer Pracht bestaunen und faltete sie auseinander. Aber die wunderlich gehandicapte Frau wollte partout nicht, dass Menschen ihren Schatz berührten. Das brachte mein emotionales Fass zum Überlaufen. Ich musste die Fischchen retten vor dieser Furie. Kurze Absprache mit der Begleitung. Er zahlte. Ich revanchierte mich später. Die Furie packte die Fischchen schön ein in einen großen Papierbeutel. Dieser Beutel musste nun fortan mitreisen. Er wechselte immer mal die Hände. Und benahm sich anständig. Zu Hause angekommen, behandelte ich meine Fischchen wie rohe Eier. Ich war schon ähnlich wunderlich, wie die italienische Mutti aus dem Laden. Aber nur so ungefähr ein Jahr lang. (Inzwischen hatte ich natürlich auch schon herausgefunden, woher meine Fischchen stammten. Aus Sizilien.) Entdeckt und eingesteckt und nach Sachsen verfrachtet aus dem Norden von Italien.

Ein Jahr später. Herbst. Güldener Herbst. Wieder eine Reise nach Italien. Diesmal Palermo. Sizilien. Mensch ahnt es bereits. Es gab eine weitere Begegnung mit (ähnlichen) Fischchen. Eine? Weitere Begegnungen. Palermo Innenstadt. Erst ein Lädchen, dann ein weiteres. Voll von Fischchen. Auf Handtüchern, Tischdeckchen, Teppichen in allen Größen und Formen – sizilianisches Design eben. Es überkam mich der Überdruss. Die Fülle führte zur Abneigung. Meine Begleitung fragte mich, ob ich dieses oder jenes nicht schick fände. Hm. Ich war voll. Und konnte mich gar nicht mehr so dolle erfreuen. Ich erwischte mich außerdem bei den Gedanken, dass meine Fischchen zu Hause gar nicht so ein Schatz seien, wie ich vermutet hatte. Dem ist natürlich nicht so. Ein Schatz entsteht mit der Legende, die mensch um ihn strickt. Und als ich ein paar Tage später diese roten Fischchen aus Sizilien stolz im Ohr trug, weil sie das Geburtstagsgeschenk vom geliebten Menschen waren, dachte ich mit Freude an meinen Fischschatz aus der Nähe von Genua zurück. Und wie er und ich ihn abwechselnd trugen durch den Norden des italienischen Landes.


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