Antje Kröger | Fotokünstlerin

Von Sirenen und Walgesängen

Posted by on Sep 23 2018, in Mensch

Polaroid Antje Kröger

Der getötete Wal geht rasch in Fäulnis über. Schon einen Tag nach seinem Tode ist er zu einer ungeheuren schwammigen Masse angeschwollen, und gar nicht selten treiben die sich entwickelnden Gase den Leichnam so auf, daß er unter heftigem Knall berstet und dabei einen unerträglichen Gestank verbreitet. Gewöhnlich haben die Walfischfänger ihre Arbeit schon beendet, ehe die Fäulnis beginnt. Man schleppt den erlegten Riesen an einem starken Seil mit mehreren Booten nach dem Schiff, befestigt ihn dort und schreitet nun zum Einschneiden. Am Hauptmast hat man zwei schwere Rollen angebracht; durch diese laufen starke Taue, deren Enden auf der einen Seite an der Ankerwinde befestigt sind, auf der andern über Bord herabhängen. An ihnen befestigt man den ungeheuren Kopf, um ihn bis zu den Halswirbeln emporzuwinden. Im Genick trennt man ihn von dem übrigen Körper, den man an großen Haken zum Zerschneiden aufhängt. Der Kopf wird mittlerweile auf das Deck gezogen und später dort des Fischbeins, der Zähne bzw. des Walrats beraubt. Die Speckschneider stehen auf schmalen Gerüsten, die an den Seiten des Schiffes hängen. Sie stechen zuerst um den Körper herum, über den Rücken und Bauch meterbreite Streifen ab, befestigen einen solchen Streifen an einem Tau und geben das Zeichen zum Aufwinden. Während die einen die Ankerwinde in Bewegung setzen, helfen die Untenstehenden mit ihren scharfen Spaten nach und trennen den Speck von dem infolge des Aufwindens sich drehenden Leibe ab. So fährt man fort, bis aller Speck in schraubenartig gewundenen Streifen vom Leibe abgeschält ist. Der Rumpf bleibt dem Meergetier überlassen.

Nach dem Aufwinden kommt der Speck in das Zwischendeck, wo er zuerst von mehreren Leuten in größere Stücke und sodann durch eine Maschine in dünne Scheiben geschnitten wird. Das Auskochen geschieht in großen, auf dem Verdeck eingemauerten Kesseln, deren Herd ringsum mit Wasser umgeben ist. Im Anfang verwendet man Steinkohlen zur Feuerung, später benutzt man die übrigbleibenden Stücke des ausgekochten Specks zur Unterhaltung der Flamme. Der gewonnene Tran wird in einer Kühlpfanne abgekühlt und dann sofort in die Tonnen gefüllt, die man im untersten Schiffsraum verladet. Kleine Wale weidet man aus, zerhackt sie sodann in Stücke und kocht diese. »In ihren schlechtesten Kleidern«, so schildert Pechuel-Lösche, »halbnackt, tanzend und singend, sich jagend und ihre Gerätschaften schwingend, triefend von Tran und rußig wie die Teufel, tummeln sich die Schiffsleute um den Herd. Ein doppelt reges Leben herrscht überall an Bord. Überraschend zumal ist der Anblick dieses Treibens des Nachts, wenn in einem erhöhten eisernen Korbe behufs der Beleuchtung ein Haufen ausgesottener Speckstücke lustig brennt und die lodernden Flammen grelle Streiflichter auf das Deck, die schwarzen Rauchwolken, die ragenden Masten mit ihren Segeln und weit hinaus auf die Wellen werfen. Am Tage verraten mächtige Rauchmassen im Gesichtskreise einen auskochenden Walfänger lange, bevor man das Schiff selbst in Sicht bekommt.«

War der Wal ein Bartenwal, so werden, nach Angabe des ebengenannten Berichterstatters, die auf dem Vorderschiff aufgestapelten, schon in kleinere Stücke zerlegten Fischbeinsiebe einer abermaligen Bearbeitung unterzogen, um sie in einzelne Platten zu zerlegen und von der anhängenden Gaumenhaut zu befreien. Nachdem man sie soweit gereinigt, verstaut man sie einstweilen im hinteren Raume des Zwischendecks, um sie später, wenn das Schiff aus den hohen Breiten in wärmere Gewässer zurückkehrt, einer nochmaligen Behandlung durch Wasser zu unterziehen, nämlich mit Besen blankzuscheuern, an der Luft zu trocknen und endlich in Bündel zu packen.

Alfred Brehm: Brehms Tierleben. Säugetiere. Band 11: Sirenen und Wale

 

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