Nachtschatten (Arbeitstitel: Der Alp)
Posted by Antje Kröger Photographie on Dez 02 2022, in Mensch
Ich traf das Froillein Blau mehrfach. Doch in diesem November lernte ich mit ihr und durch sie so viel über das Menschsein in der Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten. Danke für das Wollen, die Grenzen langsam zu überschreiten. Und danke an das Foto-Kunst-Universum, dass ich immer wieder Workshops erleben darf, die alles verrücken, bei mir und meinen Schüler*innen. Ich möchte weiterhin mehr davon! Auf 2023.
Dystopie ist meine Lebensrealität. Die Bäume sind Nutzholz für euch, die Tiere Nutzvieh, die Menschen Humankapital. Wohin mit meiner Wut? Sie wird wachsen und sich von mir lösen und meine Alpträume werden euch heimsuchen. Bis ich selbst zum Alptraum werde, der eure Nächte stört.
Die Träumtänzerin ist euer Alp. Sie erwacht aus ihrem Puppenschlaf, ihre Fäden lösen sich. Der Puppenspieler wird nie mehr leichtes Spiel mit ihr haben. Mein Körper wird sich aufbäumen, gegen euer Machtgetue. Die Fäden reiße ich ab von meinen Gliedmaßen und tanze auf den Gräbern eurer Vorväter. Bis ihr mich ernst nehmt, werde ich Witze über euren Jahreswagen machen und eure teuren Anzüge. Das ist Satire.
Im Spiegelkabinett wird meine facettenreiche Persönlichkeit euch den Weg in euren eigenen Irrsinn weisen. Ein Labyrinth für Geist und Seele, der euch vielleicht in die Freiheit der geländerlosen Gedanken entlässt. Oder ihr fallt, wie im Traum; endlos, bis ihr schreiend erwacht. Ihr verflucht den Alp, der von eurer Brust gesprungen ist. Dann geht ihr eurer Arbeit nach. Was habt ihr zu verlieren?
Wehe, wenn sie losgelassen, eure Fesseln halten nicht den weiblichen Alptraum, Nachtmahrin, die sich auf eure Brust hockt und lacht, darüber, dass ihr wieder einen abfälligen Kommentar im Internet losgelassen habt, darüber, dass ihr auf dem Gehweg nicht ausweicht, wenn euch eine Frau* entgegenkommt, darüber, dass ihr mich abwertet, um euch aufzuwerten. Das ist alles ein armseliger Versuch, die Kontrolle zu behalten. Ich habe euch durchschaut. Keine Maschen mehr, das bedeutet kein Netz mehr, das mich hält in diesem System.
Über diese Schwelle zu schreiten, sich selbst zu fühlen, sich selbst zu kennen und sich selbst zu akzeptieren, ist ein wichtiger und schwieriger erster Schritt. Es heißt: Wir sind die Töchter der Hexen, die ihr zu verbrennen nicht fähig wart. Heute habe ich Lust, euch meine Fratze des Zorns ins Gesicht zu schleudern und dabei zu tanzen.
Wer will schon Eva sein, wenn sie doch in Wahrheit immer Lilith war? Eure Symbole langweilen mich. Solange ihr mich davor festhaltet, werde ich heimlich lachen. Alles vergeht, selbst eure Autorität.
Immer wieder neu, das Spiegelspiel. Du und Ich und Ich und Du. Der Raum dazwischen ausgefüllt mit Rätselraten, mit Konventionen und Traditionen. Heteronormativ alles abarbeiten nach Schema F. Uns aneinander reiben, ohne Lust dabei zu empfinden, uns lieben ohne Schauder oder auch nur Zauber.
Diese Vorstellung von Partnerschaft verfängt sich in den Fäden der Schicksalsweberin, wird bedeckt vom Schnee der Hölle, um dann von den Sirenen angelockt und hinabgezogen zu werden in den Abyss. Ich bin in euren Träumen immer furchteinflößend gewesen, Lilith ist eure Fantasie, der ihr im Traum gern erliegt. Ereschkigal ist die, vor der ihr im Alptraum euer Haupt beugt.
Lust und Achtung sind gute Wegweiser im Umgang mit mir. Lasst euch auf mich ein und ich werde euch überraschen.
Johanna Blau