Antje Kröger | Fotokünstlerin

Ich singe das Lied der Solidarität

Posted by on Mrz 22 2020, in Mensch

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All das musste ich erst ein paar Tage sacken lassen, um zu begreifen, einzuordnen, alles zu fühlen, die ersten Ängste zu überwinden. Vor genau einem Wochenende gab ich meinen vorerst letzten Fotoworkshop „live“ bei mir im Atelier. Es fühlt sich so an, als lägen zwischen diesem vergangenen Wochenende und dem heutigen Sonntag 1001 Welten. Vielleicht ist dies auch so. Die natürliche Uhr hat sich weiter gedreht, aber die Welt der Menschen ist eine andere, sie kam zum Stillstand. Auch meine natürlich. Schon letztes Wochenende war es mir fad, und ich hatte zwischen Samstag und Sonntag mit dem ein oder anderen panischen Anfall zu kämpfen. Aber wir waren zusammen als Gruppe kreativ und vergassen Stunde um Stunde die Situation, in der wir gerade stecken als Menschheit und zwar als gesamte Menschheit. Es beruhigt mich irgendwie gerade, dass alle im selben Boot sitzen. Ein Virus macht keine Unterschiede zwischen reich und arm. Auf den ersten Blick natürlich nur. Arm lebt in ganz anderen Strukturen als reich und ist bei weitem nicht mit einem so fortschrittlichen Gesundheitssystem ausgestattet wie reich. Wir hier in Deutschland, und das soll bitte jeder mal wirklich verinnerlichen, leben in der besten aller (privilegierten) Welten, die momentan auf diesem Planeten stattfinden. Mit uns nur wenige andere Länder: Österreich, Schweiz, Benelux, Frankreich, die nordeuropäischen Staaten. Das war es auch schon. Deshalb rufe ich nun zur Solidarität auf. Und zwar in alle möglichen Richtungen.

1. Seid solidarisch mit den (Vorer)Krank(t)en und Alten!

2. Seid solidarisch mit den Künstlern und Kulturschaffenden (Wisst ihr eigentlich, wie viele Menschen an einer Serie oder einem Film mitarbeiten, die ihr fast täglich verschlingt? Und wisst ihr, wie viel Lohn sie dafür in ihre Taschen stecken dürfen? Aber ihr wisst sicherlich, wie viel eure Abos bei Netflix oder Spotify kosten, oder? Wisst ihr, was es bedeutet, in der heutigen Zeit eine Platte zu machen, eine Tour zu planen, ständig unterwegs zu sein (und das ist KEIN Urkaub!) ? Wisst ihr, wie Bücher geschrieben, lektoriert werden? Wisst ihr, wie viele Leute damit beschäftigt sind, dieses eine Buch „herzustellen“? Und auch hier, ihr wollt besser nicht wissen, welche Löhne für diese Arbeiten gezahlt werden! Wisst ihr, ich bin jetzt sieben Jahre selbstständige Künstlerin/Fotografin. Und was sagt ihr, wenn ich euch offenbare, dass ich bestimmt 60 Prozent meiner Arbeit, die ich mache, nicht bezahlt bekomme. „Das ist eben Kunst PUNKT“ Der Arbeitsbegriff zählte da in der Vergangenheit auch schon oft nicht. Blogs, Fotoserien, Worte – alles kostenfrei – natürlich. Kunst bedeutete für mich in der Vergangenheit aber auch oftmals, von den 40 Prozent Lohn mein Leben bestreiten zu können. Bisher gelang mir das (manchmal auch ziemlich gut). Das machte mich stolz, manchmal. Aber nun brechen auch diese 40 Prozent weg. Derzeit kann ich keine Fotoworkshops geben, und auch die Künstler kommen nicht zu Fotoshootings, natürlich nicht, keiner weiß, wie es weiter gehen wird, in zwei, drei, sechs, zehn Monaten. Ich liebe mein Leben. Ich möchte kein anderes. Ich brauche die Freiheit. Ich will kritisieren, provozieren. Ich muss weiterhin Künstlerin sein, wie übrigens viele um mich herum auch. Zusammen sind wir der Kitt der Gesellschaft. Auch wir werden gebraucht, so wie die Verkäuferin derzeit, die Ärzte und Pfleger*innen und so viele andere. Eine Gesellschaft lebt von ihrer Buntheit. Aber diese ist in Gefahr, wenn ihr jetzt nicht solidarisch seid (Ich fordere dies NATÜRLICH auch von der Politik, aber persönliche Solidarität ist meines Erachtens die wichtigere). Die Kunst und Kultur schläft momentan einen monetären (keinen kreativen) Dornröschenschlaf. Sorgt dafür, dass dieser keine 100 Jahre andauert wie im Märchen. Helft. Sucht euch, die ihr regelmäßige Einkommen habt, Paten. Unterstützt Einzelne oder Vereine, Kinos, Kneipen, Clubs usw., sendet Geld, Spenden, bietet Hilfe an. Und nehmt die „Arbeit“ der Künstler und Kulturschaffenden ernst. Das heißt auch hier: Faire Bezahlung!

Wer mich unterstützen mag, so dass ich meine Arbeit in den nächsten Monaten auch fortsetzen kann, der darf mir gerne einen monatlichen Betrag auf Steady da lassen: Antje auf Steady unterstützen! Wer nach dieser Krise wieder tanzen gehen möchte in seinem Leipziger Lieblingsclub, der kann sich hier ein Soliticket besorgen: Soliticket für einen Leipziger Club!

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Ich singe das Lied der Solidarität

3. Seid solidarisch mit den Flüchtlingen, z. B. auf Lesbos oder auf dem Balkan, spendet auch hier oder macht die Menschen in eurer Blase darauf aufmerksam!

4. Seid solidarisch mit den Eltern, die ihre Kinder zu Hause unterrichten (müssen)!

5. Seid solidarisch mit den Verkäufer*innen, besorgt das Nötigste für eine Woche, ohne zu hamstern und geht nicht ständig einkaufen, das steigert das Ansteckungsrisiko!

6. Achtet auf eure Mitmenschen, auf die, die psychisch nicht gesund sind, zum Beispiel, auf die, die vielleicht häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, die, die Angst haben, die, die ihre Miete nicht zahlen können, die die Hilfe brauchen!

7. Seid solidarisch mit denen, die ich hier vergessen habe. Denkt und fühlt selbst!

Singt zusammen das Lied der Stunde, das Lied der Solidarität!

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