Trautheit
Posted by Antje Kröger Photographie on Feb 23 2018, in Mensch
Kaum konnte er stehen, wollte er auch schon laufen. Weil es ihm nicht schnell genug ging, wenn er Schritt vor Schritt tat, hob er den einen Fuß an, ehe er den anderen abgesetzt hatte, und fiel hin. Er stand auf, machte einen Schritt und noch einen, fand sich wieder zu langsam, brach wieder mit dem einen Fuß auf, ehe er mit dem anderen angekommen war, und fiel wieder hin. Aufstehen, hinfallen, aufstehen – er machte ungeduldig und unverdrossen weiter. Er will nicht gehen, er will rennen, dachte seine Mutter, die ihm zusah, und schüttelte den Kopf.
Als er gelernt hatte, dass der eine Fuß den Boden erst verlassen darf, wenn der andere ihn erreicht hat, mochte er gleichwohl nicht gehen. Er trippelte mit flinken kleinen Tritten, und wenn die Eltern ihm das Geschirr anlegten und ihn an der Leine führten, wie es damals gerade Mode wurde, waren sie belustigt, weil der kleine Knabe auf dem Spaziergang zuckelte wie ein kleines Pony. Zugleich waren sie ein bisschen betreten; die anderen Kinder liefen besser im Geschirr.
Mit drei Jahren rannte er.
Bernhard Schlink, Olga