Antje Kröger | Fotokünstlerin

Liebe ist eine Last

Posted by on Mai 13 2017, in Mensch

Fotografie Antje Kroeger

Auf rätselhafte Weise hatte so der unruhige und zweifellose Zustand wieder begonnen, der für Wellkamp schon der letzten Zeit vor der Hochzeit einen Teil ihres Duftes und ihres Reizes genommen. Hatte nicht gerade die große Aufrichtigkeit und Schleierlosigkeit ihres Verhältnisses das Glück dieser ersten Berliner Wochen ausgemacht? Dieses konnte sich noch für einzelne Stunden einfinden, und zumal in der Vereinigung ihrer Liebe war es mit ihnen und hatte ein Vergessen alles Störenden mitgebracht. Aber allzu häufig fühlte er von nun an wieder einen an sich ganz bedeutungslosen Gedanken an Dora oder etwas mit ihr im Zusammenhang befindliches wie ein verbotenes Geheimnis auf sich lasten.
Etwas anderes machte bald seinen Zustand noch schwieriger. Nachdem der Bann des glücklichen Vergessens einmal gebrochen war, konnten auch die durch ihn unterdrückten schmerzlichen Erinnerungen, die Wellkamp mit Berlin verbanden, zur Geltung gelangen. Es geschah dies derart, daß sich in seiner Vorstellung zeitweilig die beiden ihn wie Nebelbilder beunruhigenden Figuren gleichsam ineinander schoben. Wenn er, was sich ihm häufig unwiderstehlich aufzwang, Frau v. Grubeck, in einer Unterhaltung begriffen, sich selbst gegenübersah, so kam es vor, daß die Einrichtung des Gemaches der seiner ehemaligen Berliner Geliebten glich. Dann bemerkte er wohl an Doras Toilette Einzelheiten, deren er sich genau von der Andern her erinnerte. Auch waren die Stimmen zuweilen vertauscht, und er hörte deutlich den wohlbekannten, mit seiner Frechheit wehrlos machenden Ton, der ihn damals in der Abschiedsstunde begleitet, nunmehr aus Doras Munde.
Seine nervösen Vorstellungen dieser Art erreichten einen Grad, wo er, mit Anna durch die Straßen schlendernd, fortwährend eine Begegnung mit der früheren Geliebten gewärtigte. Manchmal sah er sie im Gedränge vor sich auftauchen; dann war sie wieder verschwunden, oder diejenige, die er für sie gehalten, war ihm in der Nähe völlig fremd. Einmal erkannte er mit einer zweifellosen Sicherheit, die ihn abwechselnd heiß und kalt werden ließ, das wohlbekannte Gesicht, in dem jeder Zug für ihn ein Leid und eine Leidenschaft bedeutete. Die Dame blieb in geringer Entfernung vor einem Schaufenster stehen. Wellkamp vermochte ein erregtes »Ah!« nicht zu unterdrücken und berührte zugleich mit einer hefigen Bewegung den Arm seiner Gattin. Als er ihren ruhig verwunderten Blick auf sich gerichtet fühlte, setzte er mit möglichster Beherrschung seiner Erregung eine erklärende Bemerkung hinzu:
»Eine merkwürdige Ähnlichkeit –.«
Heinrich Mann, In einer Familie

Fotografie Antje Kroeger

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