Antje Kröger | Fotokünstlerin

Adieu

Posted by on Feb 22 2016, in Mensch

Adieu, Fotoserie von Antje Kröger

Sie stürzte sich in die zitternden Arme, die der Oberst ihr entgegenstreckte, und die Umarmung der beiden Liebenden erschütterte die Zuschauer. Stephanie floß in Tränen. Plötzlich legte sich ihr Weinen, sie wurde leblos, als wenn der Blitz sie gerührt hätte, und hauchte mit schwacher Stimme: »Adieu, Philipp! Ich liebe dich, adieu!«
»Oh, sie ist tot!« rief der Oberst, indem er die Arme öffnete.
Der alte Arzt fing den leblosen Körper seiner Nichte auf, umarmte sie, wie es ein junger Mann getan hätte, trug sie fort und setzte sich mit ihr auf einen Holzhaufen. Er blickte die Gräfin an und legte ihr seine kraftlose und krampfhaft zuckende Hand aufs Herz. Das Herz schlug nicht mehr.
»So ist es also wahr?« sagte er, indem er abwechselnd den unbeweglichen Oberst und das Gesicht Stephanies betrachtete, über das der Tod eine strahlende Schönheit, eine flüchtige Glorie ausbreitete, das Pfand vielleicht einer glänzenden Zukunft.
»Ja, sie ist tot.
»Ach, dieses Lächeln!« rief Philipp, »sehen Sie nur dieses Lächeln! Ist es möglich?«
»Sie ist schon kalt«, erwiderte Herr Fanjat.
Herr von Sucy machte einige Schritte, um sich von diesem Schauspiel loßzureißen; aber er hielt an, pfiff das Lied, das die Irre kannte, und als er seine Geliebte nicht kommen sah, entfernte er sich mit schwankendem Schritt, wie ein Trunkener, immer pfeifend, aber ohne sich noch einmal umzusehen.
Der General Philipp von Sucy galt in der Gesellschaft als ein sehr liebenswürdiger und namentlich als ein sehr heiterer Mann. Vor einigen Tagen beglückwünschte ihn eine Dame wegen seiner guten Laune und der Beständigkeit seines Charakters.
»Ach, meine Gnädige,« sagte er, »ich bezahle meine Späße recht teuer, des Abends, wenn ich alleine bin!«
»Sind Sie denn jemals allein?«
»Nein,« antwortete er lächelnd.
Wenn ein kluger Beobachter der menschlichen Natur in diesem Augenblick den Ausdruck des Grafen von Sucy hätte beobachten können, würde er vielleicht geschaudert haben.
»Warum heiraten Sie nicht?« fuhr jene Dame fort, die selbst mehrere Töchter in einem Pensionat hatte. »Sie sind reich, Standesperson, von altem Adel; Sie haben Talente, Sie haben noch eine Zukunft, alles lächelt Ihnen zu.«
»Jawohl«, erwiderte er, »aber es ist ein Lächeln, das mich tötet.«
Am nächsten Tage erfuhr die Dame voll Erstaunen, daß Herr von Sucy sich während der Nacht eine Kugel vor den Kopf geschossen hatte. Die gute Gesellschaft unterhielt sich verschiedentlich über dieses außergewöhnliche Ereignis, und jeder suchte nach dem Grunde. Je nach dem Geschmack des Beurteilers wurden das Spiel, die Liebe, der Ehrgeiz, verborgene Ausschweifungen als Erklärung gegeben für diese Katastrophe, die letzte Szene eines Dramas, das im Jahre 1812 begonnen hatte. Zwei Menschen allein, ein Beamter und ein alter Arzt, wußten, daß der Graf von Sucy einer jener starken Menschen war, denen Gott die unglückselige Kraft verleiht, alle Tage siegreich aus einem furchtbaren Kampf hervorzugehen, den sie einem unbekannten Schrecken liefern. Und daß sie, wenn in einem Augenblick Gott ihnen seine mächtige Hand entzieht, unterliegen.

Honoré de Balzac, Adieu

Adieu, Fotoserie von Antje Kröger

Adieu

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