Antje Kröger | Fotokünstlerin

Baltikum Okt*2024 – Litauen: Vilnius (II)

Posted by on Nov 17 2024, in Mensch, Welt

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Inhaltsverzeichnis


Užupis

Užupis ist ein Stadtteil von Vilnius. Er war einst ein Jüdisches Viertel. In der Sowjetunion war Užupis das Refugium des Rotlichts, von Obdachlosen, völlig verwahrlost. Nach den Wirren der 1990er Jahre zogen Studenten und Künstler (und alle *innen) in die billigen Häuser, machten diesen Platz urban, bunt und eigenwillig. Es entstand sogar eine eigene Spaßrepublik mit Verfassung. Meine drei liebsten Paragrafen von sehr vielen: 1. Jeder Mensch hat das Recht auf heißes Wasser, Heizung im Winter und ein gedecktes Dach. 2. Jeder Mensch hat das Recht, einzigartig zu sein. 3. Jeder Mensch kann teilen, was er besitzt. Niemand kann teilen, was er nicht besitzt.

Aber Užupis passierte genau das, was allen anderen Orten dieser Art auch passierte … die Porsche-Dichte ist hoch, der Kaffee in den Hipster-Etablissements teuer, ein spannender, energetischer und einst günstiger Ort verkommen zu einer Touristenattraktion. Dennoch, an beiden Tagen schlenderte ich durch Užupis. Mit einem wachen Auge und etwas Geduld konnte ich das verlorene Flair finden und ihm nachspüren. Eigentlich war ich in diesem Moment auch schon gesättigt von der Stadt. Überall gab es kleine Dinge zu sehen und zu erleben. Überall lag, stand oder hing etwas. Viel zu viel. Und dann noch die tausend und eine Kirche. Zu meiner Traurigkeit verschwand auch die Sonne … und noch ein Museum, erbaut von Daniel Liebeskind. Mein Körper und mein Geist und auch die Fotoapparate wollten nicht mehr. Sie suchten sich einen Bus nach Hause, das war die Nummer 89. Dieser fuhr durch das gesamte Zentrum, so konnte ich mir schon mal ein paar ästhetische Notizen für den nächsten Tag machen. Der begann wolkig. Mein Plan für den Tag: ein Friedhofsbesuch (wie auf allen meinen Reisen) und all das, was noch passieren wollte.


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Litauen Okt*2024: Vilnius
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Litauen Okt*2024: Vilnius
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Litauen Okt*2024: Vilnius
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Litauen Okt*2024: Vilnius

Der Bernhardiner-Friedhof liegt in Užupis. Ich nahm die-zu-Fuß-Route und musste immer wieder stehen bleiben wegen vieler kleiner Aufmerksamkeiten, die mir begegneten. Nur mal kurz vom Hauptweg nach links oder rechts abgebogen, und schon wurde ich verzaubert, mal von einer dicken Katzenskulptur auf einem Zaun sitzend mit einem Ohrring im linken Ohr oder einer Mädchenskulptur, die wegzufliegen drohte, vor einem heruntergekommenen Häuschen, das den Charme eines Schlosses versprühte. Als ich den Friedhof erreichte, hörte es mit der Magie nicht auf, die Pforte stand offen und die Täublein spielten ihr Spiel. Es war diesig und grau. Lange war ich die einzige Besucherin, erst am Ende meines Aufenthaltes begegnete ich ein paar anderen Gestalten. Diesen Ort taufte ich den Kreuz- und Engel-Friedhof. Viele Kreuze, einige Engel. Manchmal eine Fotografie auf dem Grabstein, aber selten. Dafür etwas, das ich vorher noch nie gesehen hatte: Ein Foto eines Toten auf dem Stein. Der Tote war noch ziemlich jung. Ich war aufgewühlt. Ich und der Tod. Der Tod und die Friedhöfe. Die Friedhöfe und die Schönheit. Die Schönheit und das Vergangene. Das Vergangene und die Vergänglichkeit. Drehte ich also eine lebendige Runde, manchmal setzte ich mich auf eine der Bänke und schaute den Täublein weiter zu oder war einfach anwesend. Als meine diesmalige Friedhofszeit vorbei war, nahm ich einen Bus, der mich zur Markthalle brachte. Es war Sonntag und schon fortschreitender Nachmittag. Aber vielleicht war noch etwas Treiben für mich übrig? Etwas. Frauen verkauften Pilze, in allen Größen, mir lief das Wasser im Mund zusammen. Litauen, ein Pilzland. Einige Marktfrauen und Marktmänner packten bereits ihre Siebensachen zusammen. Da ich nur schauen und nichts konsumieren wollte, war ich gar nicht traurig, konnte ich schnell zur letzten Station des Tages aufbrechen: dem Sportpalast. Ein brutaler Bau, geschützt durch Zäune. Wunderschön in seiner Trostlosigkeit aus Beton und Form. Der Platz, auf dem dieses Gebäude mittlerweile zerfällt, war früher der alte jüdische Friedhof Vilnius (Jüdischer Friedhof Šnipiškės). 1949 bis 1950 wurde dieser von den Sowjets zerstört. Die ehemaligen Grabsteine wurden überall in Vilnius wieder verbaut. Es kann also sein, dass irgendwo auf einem Gehweg oder einer Mauer hebräische Buchstaben erkennbar sind, wenn man ganz genau hinschaut. Leider konnte ich keine entdecken. Zurück zum Sportpalast, ein echtes sowjetisches Artefakt. In den 1960ern entworfen, Anfang der 1970er fertiggestellt. Damals lag Vilnius noch in der UdSSR. Ich war sofort hin und weg ob seiner beton-schönen Tristheit, seiner Futuralität und Einzigartigkeit. Der Verfall kann ihm wirklich nichts anhaben. Er strahlte und leuchtete auf mich, obwohl die Sonne weit hinter den Wolken verschwunden war. Ich blieb noch ein wenig. Atmosphäre aufsaugen. Danach ging es zurück in die Herberge. Enough is enough is enough.


Bernhardiner-Friedhof

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Litauen Okt*2024: Vilnius
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