Zagreb-Triest-Ljubljana II (Okt 2023)
Posted by Antje Kröger Photographie on Okt 12 2023, in Mensch, Welt
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Neuer Tag, neue Sonne. Wirklich warm in Zagreb im Herbst 2023. Bereits morgens um 9 Uhr T-Shirt-Wetter. Dennoch trugen die Einheimischen Jacken, Jäckchen und Pullover. Ich war verwundert. Für meinen Morgenkaffee hatte ich mir einen Platz auf dem Dolac-Markt im Herzen der historischen Stadt ausgesucht. Es gab wirklich ziemlich viel frisches Obst und Gemüse, Pilze und Öl, Nüsse und vieles mehr hier zu erstehen, aber der Markt selbst, meines Erachtens, kein großes Ereignis. Überall waren rote Schirme aufgespannt, die die Händlerinnen und die Waren vor der Sonne schützen sollten. Vorwiegend ältere Kroatinnen (spannend, wie homogen die Bevölkerung ist) waren auf dem Markt unterwegs und schleppten ihre Einkäufe in tausend Plastiktütchen nach Hause. Der junge kroatische Mensch dagegen geht im Konzum einkaufen.
Nach dem Markt-Besuch und viel Kaffee lief ich zu einer Bushaltestelle in der Nähe. Mich empfingen wieder fast nur Ältere. Etwas jedoch war anders. Diese hatten Blumen und Gestecke dabei, in Hülle und Fülle. Ich wusste, hier war ich richtig. Mein Ziel für den Tag der Mirogoj-Friedhof, der größte Friedhof Kroatiens. Als mich der Bus ausspuckte, stand ich gleich auf einer Beerdigung oder besser auf einer Trauerfeier; irgendein hochrangiges Militärmitglied war gestorben, mehr konnte ich nicht erkennen. Ihm gedachten in ziemlich viele Menschen. Ich gesellte mich kurz dazu, dann begann ich meinen Rundgang. Der prächtige Eingang und die hübschen Arkaden waren mit Holzpfeilern und Zäunen abgestützt beziehungsweise abgesperrt. So spazierte ich einfach querfeldein. Die Idee, ein bestimmtes Grab zu suchen, verwarf ich ziemlich schnell wieder, das war mir auch auf anderen Friedhöfen noch nie gelungen. Es war brüllend heiß, und das im Oktober; ich wollte mir nicht vorstellen, wie die Sonne im Sommer auf die Gräber knallen würde. Es war nicht viel los auf dem Friedhof, ab und an ein paar andere Besucher, ab und an Arbeiter, die sich an den Gräbern zu schaffen machten, ab und an größere und kleinere Autos auf den friedhöflichen Straßen. Keine besonderen Vorkommnisse.
Nach meinem Rundgang nahm ich den Bus wieder zurück ins Zentrum, streifte noch einmal über den Markt. Jetzt war es ziemlich interessant. Die Händlerinnen räumten ihre Waren zusammen und bauten die Stände ab. Der gesamte Müll flog auf den Boden. Die Tauben feierten ihr Fest des Tages. Ich würde ihnen später noch einmal begegnen. Nämlich auf dem Ban-Jelačić-Platz. Dort saßen zwei Gesellen, die die Tauben nicht nur fütterten, sondern auch mit ihnen schmusten und spielten. Einer sprach mich an, setzte mir ein Täubchen auf den Unterarm und krümelte mir Brot in die Handinnenfläche. Sofort kam eine Schar angeflogen und okkupierte mich. Kurz war ich überfordert. In der einen Hand meine Kamera, in der anderen die Tauben. Auch ich mag Tauben sehr. Einer der junggebliebenen Gesellen erzählte mir, dass sie seine liebsten Tiere seien und er es vor allem mag, wenn er Kinder und Tauben zusammenbringen könne, denn das Verhältnis zwischen der „Luftratte“ und dem Menschen sei ziemlich belastet. Der Rest des Tages verlief ziemlich unspektakulär, denn die Müdigkeit hatte von meiner Seele und meinem Körper Besitz ergriffen und verlangte nach Schlaf. Irgendwo im Zentrum nahm ich Ramen zu mir; die besten Ramen hatte ich bisher immer im osteuropäischen Raum gegessen (das blieb auch jetzt so).
Ban-Jelačić-Platz
Dolac-Markt
Mirogoj-Friedhof
Tag drei in Kroatiens Hauptstadt überraschte mich (mehrmals). Außerdem hat die Stadt einen neuen Punkt auf meiner „Ich-mag“-Liste erhalten. Ich mag die öffentlichen Toiletten oder noch besser gesagt die allgemeine Toilettenlage der Stadt. Die Örtchen für die wichtigen Geschäfte des Tages waren immer sauber, es gab immer Toilettenpapier und sie waren immer kostenlos. Das nenne ich puren Luxus. Und einem weiteren Luxus bin ich an diesem Tag begegnet: dem Straßenessen. Es war wirklich gut und dazu noch richtig richtig günstig. Die Preise sind sonst teilweise nämlich ziemlich happig, vor allem das Essen in Restaurants. Die Einführung des Euros zu Beginn des Jahres 2023 hat sicherlich zu einem Preisanstieg geführt, auch sind die Pauschalreisenden (hier sind besonders die Asiaten hervorzuheben) bereit, so viel zu konsumieren, wie nur geht. Im Supermarkt konnte ich feststellen, dass ein Drittel der Produkte sogar teurer waren, als bei uns. Dafür war der öffentliche Verkehr ziemlich billig, 56 Cent für 30 Minuten. Ich gönnte mir Fahrten in beide Richtungen bis zu den jeweiligen Endstationen mit der Tramlinie „6“. Es ruckelte und zuckelte an so manchen Stellen. Als ich ausstieg, befand ich mich im Betonmeer und konnte darin nun mit Freude abtauchen. Selten habe ich so viele Plattenbautensiedlungen gesehen wie in Zagreb. Und ich mochte es, zwischen den Häusern herumzulaufen, den Mädchen und Jungen beim Schulsport zuzuschauen und mit den Alten im Café zu sitzen; ich mit einem Kaffee, die meisten von ihnen mit Bier. Ich mochte es, den normalen Alltag der Menschen zu beobachten, abseits von „Sehenswürdigkeiten“ und „Shopping“ im Inneren der Stadt.
Es gab an diesem Ort, ziemlich weit weg vom Zentrum der Stadt, für mich eine eine Überraschung geschenkt. Ein Markt in einer lichtdurchfluteten Halle. Dieser Markt ist garantiert in keinem Reiseführer zu finden. Das Einkaufen für Einheimische. Abwiegen noch mit mechanischen Waagen mit Gewichten, meist von mittelalten Frauen. Saisonware glitzerte in der Sonne: Kürbisse, Pilze, Feigen. Mir kaufte ich Feigen und ass sie die nächsten Tage mit großem Genuss. Früher, als ich meinen Geburtstag noch feierte mit anderen Menschen, gab es immer Speisen mit frischen Feigen, die Frucht meines Geburtstagsmonats, für meine Gäste und mich.
In die andere Richtung fuhr die Tram die „Ilica“ entlang. Die 6-Kilometer-Straße ist die längste der Stadt und mit Geschäften übersät. Alles, was das Herz an Produkten begehrt, wenn es das denn tut. Nachdem ich mit dem Tram-Fahren fertig war, suchte ich mir ein neues Fortbewegungsmittel: die Standseilbahn. Sie fährt weniger als eine Minute und verbindet die obere Stadt mit der unteren. Oben befindet sich das Regierungsviertel von Kroatien und Zagreb und viele alte Sehenswürdigkeiten. Hinauf wollte ich deswegen nicht, sondern hinunter, durch den Artpark. Dort sollte es ein paar spannende Graffiti geben. Gab es nicht, dafür aber einen alten sozialistischen Kinderspielplatz und einen ziemlich bunten Eingang zum „Tunel Grič“. Zu diesem Tunnel führte mich ein kleiner Junge, der vorher auf einer Schaukel gesessen hatte und in sein Handy starrte. Der Tunnel, der lange Zeit obdachlosen Menschen vorbehalten war, ist nun ein Touristenmagnet. Es gibt sogar eine saubere, öffentliche Toilette. Die Einheimischen nutzen den Tunnel (ein Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg) als Abkürzung oder ab und an auch, um ihre Stimmbänder zu testen. So habe ich es jedenfalls erlebt. Sie waren noch nicht zu sehen, aber schon zu hören, die drei Freunde aus Zagreb. Ihre Namen habe ich vergessen, obwohl sie sie mir ziemlich brav aufgesat hatten, denn sie wollten, dass ich sie vor einer künstlerischen Installation im Tunnel fotografiere. Habe ich natürlich gerne getan. Dann sollten sie noch einmal für mich posieren, auch das taten sie gerne. Danach bewegten sie sich schreiend und singend weiter durch den Tunnel. Noch lange konnte ich sie hören und musste schmunzeln. Die Begegnung mit den dreien war ein guter Abschiedsmoment von der Stadt. Ich ging nicht verliebt, auch nach drei Tagen war ich der Stadt gegenüber noch ziemlich reserviert. Aber ich ging dankbar. Die vielen kleinen Erlebnisse hatten die vergangenen Tage zu einer spannenden Reise gemacht. Morgen würde es weiter nach Triest in Norditalien gehen. Vorher treffe ich noch einmal meine schweizerische Mitbewohnerin. Sie war zwischenzeitlich nach Sarajevo gereist. Wir haben bis spät in die Nacht hinein ein interessantes Gespräch geführt. Sie mochte Sarajevo überhaupt nicht, aber in Zagreb hatte sie sich wohlgefühlt. Ganz im Gegensatz zu mir. Sie bräuche beim Reisen eine Art Sicherheitsgefühl und moralische Übereinstimmungen. In Sarajevo dachte sie, alle Muslime seien Terroristen. Puh. Und westliche Werte seien das Non-Plus-Ultra. Puh. Ich musste lange darüber nachgrübeln. Ich denke, dass unsere „westliche Vormachtstellung“ uns ziemlich eingeschränkt handeln, fühlen und erleben lässt. Zagreb oder Sarajevo? Sarajevo, natürlich! (Meine Reisereportage von Sarajevo)
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