Zagreb-Triest-Ljubljana IV (Okt 2023)
Posted by Antje Kröger Photographie on Okt 14 2023, in Mensch, Welt
Teil 4 / LJUBLJANA
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- Teil 4/ LJUBLJANA
LJUBLJANA – Laibacher Fluss-Idylle, Hip-Hot-Spot, Architektur-Mekka, teure Spießigkeit
Ganz früh am nächsten Morgen verließ ich Norditalien. Auf nach Slowenien. Letzter Halt: Ljubljana, die nördlichste Hauptstadt Ex-Jugoslawiens. Einordnen lässt sich dieser Ort schwerlich. Nicht Fisch, nicht Fleisch, sage ich als Norddeutsche. Ganz nah an der Grenze zu Italien, aber nicht italienisch. Lange Jahre ein Teil des sozialistischen Jugoslawiens, aber nicht post-sozialistisch. Vielleicht ein Hauch belgisch oder holländisch. Idyllisch, mit einem Flüsschen in der Mitte, malerischer Architektur und ein paar Plattenbauten drumherum. Das Städtchen ist ein Touristenmagnet, gleichzeitig hip. Nach meiner Ankunft beschäftigte ich mich natürlich erst einmal mit dem Bahnhof. Auf der Zugfahrt nach Zagreb hatte ich aus meinem Abteil heraus ein Gebäude gesehen, das meine Aufmerksamkeit auf sich zog und das ich nun fotografieren wollte. Dieses Wohn- und Businessdreieck sah aus wie eine Oberhofer Skihütte. Später in meiner Herberge erfuhr ich von Einheimischen, dass sie dieses Gebäude auch so nennen: Skihütte. Es stammt übrigens aus den frühen 2000er Jahren und zählt zur modernen Architektur. Mittlerweile war es ziemlich kalt geworden. Mindestens zehn Grad weniger als am Anfang meiner Reise. Jetzt konnte ich den Herbst riechen und den Winter ahnen. Eines haben die Ljubljaner übrigens gemeinsam mit (fast) allen italienischen Menschen: Sie sind laut. Dauernd laute Gespräche, egal ob am Telefon oder persönlich, lautes Telefonklingeln, laut, laut, laut. Dafür sind sie wirklich freundlich. Laut und freundlich. Keine so schlechte Mischung, wenn auch anstrengend. An diesem Tag ließ ich mich einfach treiben, ziellos, ergebnisoffen. Ich war müde. Bereits seit über einer Woche unterwegs, hatte ich kaum Zeit gehabt, um durchzuatmen, zur Ruhe zu kommen, mich auszuruhen. Immer wieder fotografieren, schreiben, Gedanken machen, beobachten, recherchieren. Früh ging ich ins Bett und schlief tief, träumte.
Klirrend kalt war es, als ich am nächsten Tag mein temporäres Zuhause verließ. Zwei Grad. Vor drei Tagen hatte ich noch am Meer gelegen, die viele Sonne Italiens hatte mir später Kopfschmerzen bereitet. Nun also Kälte und keine Sonne mehr. Auf dieser Reise durchlief ich verschiedene Wetterwelten. Meine Kleidung hatte ich dafür allerdings nicht gut ausgesucht. Musste ich eben improvisieren. Dieser Tag zog sich wie Kaugummi. Idylle okay, aber langweilig. Fotografisch sowieso, aber auch für die Inspiration. Gen Abend wurde es etwas besser, als ich Drago aus Mazedonien traf. Dazu aber gleich. Denn vorher trugen mich meine Beine noch die ein oder andere Straße entlang. Zufällig landete ich im Metelkova, einem Künstlerviertel in der Nähe des Bahnhofes. Anders als in Zagreb war dies ein offener Hipsterort, nicht verschlossen. Graffitis und künstlerischer Output überall, sogar der Fußballverein Chemie Leipzig hatte sich schon mit einem Bild an einer Wand verewigt. Durch die zentrale Lage und die Offenheit war es jedoch nicht verwunderlich, dass dieser Ort nicht immer gut behandelt oder einfach missbraucht wird. Tagsüber im Herbst kann er, denke ich, sowieso nicht seinen Charme entfalten. Um Metelkova und seine Clubs in der Nacht aufzusuchen, fehlte mir während dieser Reise die Kraft und auch die Muße. Gut, dass es solche Orte gibt, aber vielleicht müssen diese einfach besser geschützt werden, so wie die Synagoge in Triest (Scherz!).
Nach den bunten Bildern wieder jede Menge Beton. Der Platz der Republik. Dazwischen noch eine Busfahrt. Eine Station fuhr ich „schwarz“ bis zum Bahnhof. Dort stieg ich aus, um Tickets zu kaufen. Das gestaltete sich eher schwierig. Es gibt weder Tageskarten noch Zeitkarten für den öffentlichen Verkehr in Ljubljana. Zuerst muss eine Chip-Karte erworben werden, auf die dann einzelne Bus-Tickets gespeichert werden können. Was für ein Quatsch. Ging ich also zu Fuß. Als ich am Platz der Republik (der Bau des Platzes begann 1960) ankam, traf ich Drago. Er streikte ganz allein vor dem Parlamentsgebäude. Drago gehört zur mazedonischen Minderheit in Griechenland. Leider habe ich vergessen, wofür er genau streikte. Er hielt mir einen Vortrag über die Religion und welches Gift sie für die Gesellschaft und das Zusammenleben sei (YES!). Er erzählte mir von den modernen Griechen, die kaum noch etwas vom Hellenismus wüssten geschweige denn so lebten. Dafür gäbe es Joghurt, Tzatziki, Ouzo und DIE orthodoxe Religion. Drago redete ununterbrochen. Wenn er nicht redete, lief er auf dem großen Platz zwischen den Denkmälern umher oder grüßte die Menschen, die vorbeigingen. Ich fotografierte ein wenig sozialistische Architektur und beendete dann diesen zähen Reisetag. Schon jetzt fehlte mir die Sonne.
Metelkova
Platz der Republik
Es war bedeckt am letzten Tag meiner Reise. Die Sonne wollte nicht mehr zwischen den Wolken hervorkriechen. Mein Körper schleppte sich noch einmal durch Ljubljanas Straßen und Gassen. An dieser Stadt war auf den ersten Blick gesehen nichts falsch. Aber sie fühlte sich trotzdem für mich nicht richtig an. Nicht einmal reiben konnte ich mich an ihr. Sie war wirklich schön und einladend, aber auch langweilig und nichts-sprechend zu mir. Dekadent an manchen Stellen, übervoll von gaffenden Touristen an anderen, ziemlich ziemlich teuer, das Essen okay, aber in keinem Fall individuell oder einmalig, die Menschen hingen mal wieder an ihren Handys und fielen nicht besonders auf, die Touristen hingegen filmten und fotografierten jeden Schnotter. Als ich auf einem Brunnen saß, baute gerade ein Straßenmusiker sein Set auf. Er begann zu spielen, sofort versammelte sich eine Traube Menschen, um seine ersten Takte für immer und völlig unnötig festzuhalten. Absurdistan!
Ljubljana erlebte einen normalen Wochentag. Die Menschen tranken ihren Kaffee, auf einem kleinen Platz fand ein Feuerwehrfest für Kinder statt, auf dem Markt wurde frisches Obst und Gemüse verkauft, asiatische Reisegruppen schoben sich über eine der Brücken über das Flüsschen Ljubljanica, über der Stadt präsentierte sich das Laibacher Schloss. An meinem letzten Tag spazierte ich noch ein wenig durch die Straßen. Ich entdeckte Mahler, der von 1881 bis 1882 in Ljubljana gelebt hatte. Zehn Filme waren voll. Mehr als genug. Keine Lust mehr, genau hinzuschauen und hinzufühlen. Diese fotografische Reise war beendet. Leises Ausklingen auf den Straßen Sloweniens.
NACHWORT
Dieser Trip war bereits im letzten Jahr geplant. Nun, ein Jahr später, endlich durchgeführt. Es war keine tief emotionale Reise. Ich hatte wenig Kontakt mit Menschen. Wollte ich keinen Kontakt? Vielleicht. Dafür Zwiegespräch mit mir und Beobachtungen. Ich sah wunderbare Orte, wie auf jeder Reise lernte ich dazu, ich bekam noch einmal eine Menge Sonne auf die Haut. Entdeckte auf der Reise Max Frisch wieder, erblühte kurz in Italien, hatte gedacht, Zagreb wäre auf der Balkan-Liste ganz hinten, aber ich muss mich korrigieren: Ljubljana. Kosovo und Montenegro stehen noch auf meiner offenen Balkan-Reise-Wünsche-Route.
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