Wind of Abriss
Posted by Antje Kröger Photographie on Feb. 24 2025, in Mensch

Konzept and all: Antje Kröger, Fotografie: Antje Kröger & A. Tcherkassova
Diese Räume haben gespürt, gerochen, gelebt, gefeiert, getrauert, gehadert, beherbergt, sich verändert, boten Schutz, zerfielen, waren Wohnraum, Unterschlupf, Schlafstätte, Atelier, Fahrradgarage, Wohngemeinschaft, Familienresidenz. Und noch so viel mehr. Sie erlebten zwei Weltkriege, mehrere politische Umwälzungen, Zuzug und Wegzug, Zerstörung, Umgestaltung. Sie wechselten die Farben, auf ihren Wänden stapeln sich die Schichten der Jahre. Über ein Jahrhundert Raumgeschichten. Menschen kamen und gingen, wurden gezeugt, geboren und starben in den Räumen, sie lebten, liebten, hassten, schmiedeten Pläne, vegetierten, froren, tranken, rauchten, aßen, kopulierten, trauerten, diskutierten, fügten sich Schmerzen zu, schlugen sich, ruhten.
Die Räume hörten Gelächter und Schluchzen, Rhythmen, Schreie und Schweigen. Mal roch es nach festlichem Essen, mal nach kaltem Rauch. In den Ecken verstaubten Erinnerungen, auf dem Boden hinterließ Mobiliar tiefe Kerben. Jedes Jahrzehnt brachte neue Farben, neue Gerüche, neue Gesichter. Manche blieben, manche verschwanden. Die Räume atmeten mit den Menschen, die sie füllten, sahen Hoffnung und Verzweiflung, Geborgenheit und Flucht. Alles schrieb sich in Wände und Böden ein, Schicht für Schicht, Wort für Wort.
Beide schleichen über das kalte Holz. Die eine rudert über den Staubsee, mit den hölzernen Wurzeln, die sie fand, die andere drückt sich das gefrorene Broilervieh aus der summenden Kiste zwischen die Schenkel. Ihre Haut zittert, verfärbt sich erst orange, dann rot, dann blau. Das Sonnenlicht ist spärlich gesät. Die Tram knattert vorbei. Auch die Räume, deren Wände gerade von ihrem Schmerz berichten – dem Schmerz des Abschieds, dem Schmerz der Veränderung, dem Schmerz eines Endes – knarren, zucken und wirken fürchterlich instabil, obwohl alle Steine fest aufeinander sitzen.




















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