Antje Kröger | Fotokünstlerin

Ein kleiner Stolz

Posted by on Okt 29 2024, in Mensch

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Sie telefonierte mit einer ihrer älteren Verwandten. Es war einer dieser Anrufe, die eher Pflicht als Vergnügen sind. Wenigstens war diese Tante eine warmherzige Person, die sich geduldig ihre gefühlsduseligen Geschichten anhörte und mit voller Konzentration dabei war. Sie erzählte von diesem und jenem, von dies und das und das und dem. Aufhören konnte sie kaum, war sie doch gerade auf einem Hochgeschwindigkeitsemotionszug unterwegs. Zwischendurch schluchzte sie ein wenig und gab zu, noch bevor die Tante danach fragen konnte, dass sie ihn angerufen hatte. Natürlich. Ihretwegen.

Das erste „Warum?“ der Tante versuchte sie gekonnt zu überhören. „Darum!“ „Weil ich es kann!“, dachte sie nur. Doch der nächste Satz hinterließ eine Spur, eine Spur aus gemischten Gedanken, Gefühlen und einem inneren Aufruhr. „Dass du dir dafür nicht zu stolz bist?“ Stolz. Stolz? Zu stolz, um jemanden zu vermissen? Zu stolz, um seinen Impulsen nachzugeben? Zu stolz, um einfach zu sein, ganz man selbst? Stolz. Was bedeutet das überhaupt? Stolz – wozu soll der gut sein? Was kann dieser Stolz?

Sie muss plötzlich an Nationalstolz denken. Und ist angewidert. 


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Ein kleiner Stolz
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Ein kleiner Stolz

„Stolz war der Grund, daß jene dort gefallen,

      Stolz des Verworfenen, den du gesehen,

      Erdrückt von dieses Weltalls Lasten allen.

      In Demut haben, die ihr Rad hier drehen,

      Und in Erkenntlichkeit die Huld verehrt,

      Die ihnen gab, so Großes zu verstehen.

      Drum hat erleuchtend ihre Schau gemehrt

      Die Gnade, ihres Wohlverdienstes wegen,

      So daß ihr Wille Rechtes nur begehrt.

      Und, zweifle nicht, verdienstlich ists, den Segen

      Der Gnade anzunehmen, um so mehr,

      Je offner das Gemüt dem Gnadenregen!

      Nun, so du recht ergriffen meine Lehr,

      Nun kannst du wohl ohn andre Hilfe sehen,

      Wie's hier bewandt um dieses Himmelsheer.

      Doch weil man, die auf eure Schulen gehen,

      Auf Erden lehrt, dem Engelwesen sei 
     
      Erinnern eigen, Wollen und Verstehen,

      Red ich noch weiter, daß du rein und frei

      Die Wahrheit siehst, die drunten so verblendet

      Durch solcher Lehre Trug und Gaukelei.

      Seit ihnen Gottes Antlitz Wonne spendet,

      Hat dieser Wesen keins von Seinem Licht,

      Dem nichts verborgen, je den Blick gewendet;

      So wurde nie gestört von neuer Sicht

      Ihr Schaun, und wo kein Schnitt des Denkens Bande

      Zertrennt, bedarf es des Erinnerns nicht.“


Die Göttliche Komödie, Dante Alighieri

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