Apfelblütenrausch
Posted by Antje Kröger Photographie on Apr. 28 2025, in Mensch

Mit jedem Biss in einen güldenen Apfel werden Götter wieder zu Göttern. Was eben noch grau und eingefallen war, gebückt und schwach, von schweren Gedanken beschwert, wandelt sich zu jugendlicher Frische: rosige Wangen, aufrechter Gang, Glanz in den Augen. Im Garten Asgards wandelt die schöne Idunn. Sie ist die Göttin der Jugend, der prallen Wänglein, der vitalen Gedanken, der Sorglosigkeit, der Frische, der vor Kraft strotzenden Körper. Ihr Zuhause ist die nordische Sagenwelt. Sie ist die ewig Junge, die einen Schatz aus goldenen Äpfeln bewacht und verteilt. In diesen Früchten liegt ein großer Zauber – der Zauber der immerwährenden Jugend.
Denn auch Götter altern. Sie werden schwach und vergesslich, ihr Augenlicht erlischt, ihre Gedanken werden schwer und eindimensional. Die Spannkraft ihres Körpers schwindet, das volle Haar lichtet sich, die Haut verliert ihre Zartheit. Sie blicken in den Spiegel und entdecken grau-weiße Strähnen, Tränensäcke, tiefe Furchen an den Mundwinkeln. Die Bauchhaut hängt schlaff herab, die Zähne zeigen ein Spektrum von Braun, Ocker und Gelb. Sie erkennen sich nicht wieder. Sie kennen diesen Zustand nicht an. Sie verneinen sich. Sie wollen dies nicht. Deshalb bitten und betteln sie, dass Idunn ihnen von den magischen Äpfeln gibt. Ohne diese Äpfelzauberei altern und sterben nämlich auch Götter. Die Äpfel schenken ihnen keine absolute Unsterblichkeit, sondern eine wiederkehrende Jugend und Kraft – solange Idunn unter ihnen weilt und die Äpfel weiter wachsen am Baume der Jugend.
Das Wort Apfel beginnt mit dem ersten Buchstaben unseres Alphabets, wie auch das Wörtchen Angst, das sich zu einem großen Ungetüm aufblasen kann. Angst vor … der Vergänglichkeit. Dabei vergeht doch wirklich alles. Einmal von A bis Z, von Anton bis Zylinder, und dann wieder von vorn. Der Tag folgt auf die Nacht, der Mond auf die Sonne, der Mittag auf den Morgen, der Herbst auf den Sommer, das Lächeln auf die Tränen, auf Verlust die Erinnerung, auf die Frage eine Antwort. Vielleicht. Vielleicht auch ein Schweigen. Warum macht das Vergehen so viel Angst? Geh nicht. Schönheit. Geh nicht. Liebe. Geh nicht. Leben. Bleib. Apfel. Apfel. Apfel. Angst. Angst. Angst. Apfel. Angst. Vergangen. Gegangen. Ergangen. Alles ein Spiel. Alles ein Kreis. Alles ein Lauf.


















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