Antje Kröger | Fotokünstlerin

SERBIEN Okt*2025: Belgrad II

Posted by on Okt. 29 2025, in Mensch, Welt

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Wieder in Belgrad angekommen, schrieb ich meinem Vermieter. Er konnte sich erst gegen sechs Uhr am Abend mit mir treffen, also wartete ich im Starbucks, trank Kaffee und schrieb E-Mails. Ich war verblüfft: Die Preise waren fast identisch mit denen in Deutschland, obwohl die Menschen hier deutlich weniger verdienen. Trotzdem war das Café voll. Ich frage mich, wie das funktionieren kann.

Mein neues Zimmer lag direkt im Zentrum. Der Vermieter war Chinese, der nur Russisch sprach und in derselben Wohnung wohnte, er schlief in der Küche. Etwas seltsam, denn nachts musste ich an seinem Bett vorbei, um zur Toilette zu gelangen. Er sprach kein Englisch, dafür lebte noch ein Mann aus London dort, mit dem ich mich gut verstand und austauschen konnte. Wir waren beide etwas irritiert über die Wohnsituation. Drei Nächte würde ich sie aber aushalten können.

Am Abend lief ich durch die dunkle Stadt, erkannte die ersten Orte wieder und hatte das Gefühl, langsam in Belgrad angekommen zu sein.

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Die letzten zwei Tage verschwammen ineinander. Ich fuhr Bus, hin und her, über die Brücken und wieder zurück. Es war unglaublich sonnig und warm. Ich lief fast den ganzen Tag nur im Hoodie herum. Erst am Abend zog ich meine Fellweste wieder an.

Am ersten Tag begab ich mich an die Donau. Dort hatte ich eines meiner schönsten Erlebnisse, ausgelöst durch ein Graffiti. Ich erkannte plötzlich, dass ich schon einmal genau an dieser Stelle gewesen war. Damals hatte ich dort ein Foto gemacht. Auf dem alten Bild war ein bestimmtes Graffiti zu sehen, und nun war an derselben Wand ein neues darüber gemalt. Das alte, im Hintergrund, war aber noch zu erkennen. Es war, als würde mir die Wand zuflüstern: „Hallo, du warst schon mal hier.“ Das faszinierte mich, diese Wiederbegegnung mit einem Ort, der sich verändert hatte und doch derselbe geblieben war. Dann sprach mich auch noch ein Angler an und fragte, ob ich Deutsche sei. Das machte das Ganze noch absurder. Die Stadt war so groß, und doch führte mich der Zufall genau wieder an diesen Fleck. Ich saß eine Weile am Fluss, schaute aufs Wasser und ließ die Sonne wirken.

Danach machte ich mich auf den Weg zum Blumenhaus, dem Mausoleum von Tito, dem ehemaligen jugoslawischen Staatspräsidenten, das Teil des Jugoslawischen Museums ist. Es dauerte allerdings eine Weile, bis ich dort ankam, weil ich zwischendurch noch im „Anti-Café“ zwischen landete. Das Café war zwar fast leer, aber sehr cool. Studierende bekamen ermäßigte Preise, und auch so war der Kaffee wirklich günstig (denn ich war ja schon lange keine Studentin mehr). Der Raum war gemütlich, es gab Spiele zum Ausleihen und einen Kicker. Ich konnte mir vorstellen, dass abends sicher viel los war. Ich mochte das Konzept und blieb eine Weile dort.

Beim Weiterlaufen merkte ich plötzlich, dass mein Knie schmerzte. Zunächst schenkte ich dem keine große Beachtung, doch als ich schließlich am Jugoslawischen Museum ankam, konnte ich kaum noch auftreten. Tränen schossen mir in die Augen, als ich sah, dass das Gebäude auch noch auf einem Hügel lag. Ich musste den ganzen Weg hinaufkraxeln, langsam und mit Schmerz. Das Museum selbst war ursprünglich eine Villa Titos, während der NATO-Bombardierungen teilweise zerstört und später wieder aufgebaut. Ich wollte gar nicht die Ausstellung sehen, sondern nur das Grab von Tito. Im Internet hatte ich gelesen, dass man es auch ohne Eintritt besichtigen könne. Stimmt nicht. Den Eintritt wollte ich nicht zahlen, hatte ich doch gar keine Zeit für ein Museum eingeplant, also drehte ich um und stieg den Hügel wieder hinab.

Mit dem Bus fuhr ich weiter zum ehemaligen Verteidigungsministerium, das während der Nato-Bombardierungen 1999 zerstört wurde und heute als Mahnmal gilt. Fotografieren ist dort verboten, ich wagte trotzdem vier analoge Aufnahmen. Mein Knie tat inzwischen heftig weh, und ich wollte nur noch zurück in die Wohnung. Es war kein spektakulärer Tag, eher ruhig und dennoch erschöpfend. Aber das war in Ordnung. Ich hatte das Gefühl, genug gesehen, genug fotografiert, genug erlebt zu haben. Mein letzter Tag in Belgrad sollte ganz den Bloks gehören, dem Beton von Belgrad.

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Mein letzter Tag in Belgrad gehörte ganz den Bloks, dem jugoslawischen Brutalismus. Ich besuchte die Bloks 22 und 23. Purer Zufall. Es hätten auch all die anderen sein können, die wie ein Labyrinth wirken, als würden sie niemals enden wollen. Beton über Beton. Ein Meer. Dazwischen Bäume, Spielplätze, Basketballkörbe, Einkaufspassagen, Garagen, Imbisse, Straßen. Jeder Blok sein eigenes Himmelreich, mit dazugehörigem Graffito. Vielleicht auch einer Hymne? Wundern würde es mich nicht. Mein Blok. Mein Leben.

Ich steuerte schon auch mal ein wenig hilflos umher. So viele Wohnungen, so viele Autos, aber relativ wenige Menschen auf den Straßen und Gehwegen. Dafür waren die Busse in den Abendstunden Richtung Betonmeer immer so voll. Manchmal bekam ich Schnappatmung.

Was soll ich noch schreiben? Ich verabschiede mich jetzt einfach aus Belgrad und Serbien. Ich hatte wirklich eine lehrreiche Zeit. Der Balkan, du mein Schatz, bist wieder ein wenig tiefer in mein Herz gerutscht. Ich wünsche den Menschen und ihren Protesten so viel Gutes. Mögen sie es schaffen, das Unmögliche möglich zu machen. Das ist ja vor einem Vierteljahrhundert schon einmal geglückt. Ich drücke die Daumen, für euch, ihr demokratischen Serben, und für uns anderen, dass der diktatorische Kelch an uns vorbeiziehen möge.

Danke, Serbien, für zwei Wochen, die ich immer in bester Erinnerung behalten werde.

Oh, fast hätte ich es vergessen: Kurz vor meiner Busfahrt in mein Belgrader Zuhause des letzten Abends begegnete ich ja noch dem Huhn. Ich sah den „Belgrader Slum“ schon von Weitem, traute mich aber lange nicht hinein. Es roch unangenehm, die Müllberge türmten sich. Ich fragte einen Mann, ob es erlaubt sei, hineinzugehen. Er antwortete mit „Ja“, empfahl mir aber, keine Menschen zu fotografieren. Also traute ich mich. Es dauerte nicht lange, da begegnete ich einem Mann, der fließend Deutsch sprach. Er erzählte mir, dass die „Siedlung“ gerade nach und nach abgerissen werde. Nachts kämen Bagger und zerstörten das Zuhause der Menschen, die hier leben. Ich entdeckte das Huhn, das sich sichtlich wohlfühlte. Kinder kamen angerannt, ich fotografierte doch ein wenig. Meine letzten fotografischen Momente in Serbien.

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