Armenien Feb*2024: Jerewan – Eriwan, Erewan, Yerevan, Erevan, Երևան (Teil II)
Posted by Antje Kröger Photographie on Okt. 03 2024, in Mensch, Welt

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- ∗ Armenien Feb*2024: Jerewan (Teil II)
- ∗ Armenien Feb*2024: Jerewan (Teil III)
- ∗ Armenien Feb*2024: Rundreise – Sewansee, Sewankloster, Dilidschan, Goschawank, Kloster Haghartsin
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Reisen
… ist …
Arbeit. Anstrengung. Glück / Zufall (ob des richtigen Passes). Energetisch. Ein Kraftakt. Konzentration. Anpassung. Überraschung. Neugierde. Das Budget im Auge behalten. Immer müde sein. Meist schlecht schlafen (ob der Mitwohnenden). Zu viel Koffein. Auf der Straße essen. Auf die eignen Dinge achten (Geldbörse, Schlüssel, Handy, Kameras, Pass, Elektronik …) In Kommunikation gehen. Sich allein aushalten. Denken. Wenige Pausen machen. Ständige Recherche. Klarheit. Den Wetterbericht auswendig kennen. Fortbewegungsmittel buchen. Fortbewegungsmittel verstehen. Den Flow des Ortes begreifen. Nachfragen. Neues essen, Neuem begegnen. An Grenzen stoßen. Ängste überwinden. Energielos oder voller Adrenalin sein. Eine erste Taxifahrt vom Flughafen. Günstige Übernachtungen finden. Lernen. Politische Verhältnisse und Geschichte verstehen. Fremder Kultur begegnen. Privatsphäre aufgeben. Bis an Grenzen gehen. Über Grenzen gehen. Zu wenige Klamotten dabeihaben. Neue Wege (Umwege) gehen. Das Licht sehen. Und die Schatten.
… und noch so viel mehr …
Für mich und meine Fotografie!




Matenadaran (Մատենադարան)
„In diesem Zusammenhang war die Entwicklung des armenischen Alphabets durch den Mönch Mesrop Maschtoz im Jahre 405 von großer Bedeutung, was auch für die westlichen, von Byzanz beherrschten Regionen gilt. Mesrop Maschtoz wird als Heiliger der armenischen Kirche verehrt. Mesrop Maschtoz übersetzte zunächst die gesamte Bibel ins Armenische. Ferner übersetzte man auch die Werke der Kirchenväter, der Verteidiger der Konzile und des Glaubens sowie die im Christlichen damals maßgebliche Liturgie von Jerusalem. Diese Übersetzungen markieren zugleich den Anfang der armenischen Literatur und das 5. Jahrhundert wird bis heute als ihr »Goldenes Zeitalter« bezeichnet … Die unabhängige Republik Armenien ist die Nachfolgerin der armenischen Sowjetrepublik. Die letztere ist einerseits die Vorstufe des heutigen Staates, steht aber andererseits für eine politische und kulturelle Entwicklung, die den heutigen Staat von der Diaspora unterscheidet. Der armenische Staat befindet sich auf dem Territorium, wo das Armenier-Sein selbstverständlich ist. Armenier bilden in Armenien die absolute Mehrheit (ca. 95 %). Kurden, Russen, Jesiden als ethnische Minderheiten des Landes bilden ca. 5 %. In der Fremde lebende armenische Gruppen stammen zum größten Teil nicht aus dem armenischen Nationalstaat. In der ersten Linie sind es die Nachkommen von Überlebenden des Genozids, die aus Ost-Anatolien stammen.“
Mythos und Identität – Zur Bedeutung des Vardan-Mythos für das Selbstverständnis armenischer Gemeinschaften, Anush Yeghiazaryan
Das Mesrop-Maschtoz-Institut für alte Manuskripte ist ein Zentralarchiv für alte armenische Handschriften (17.000), welches 1997 von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe ernannt wurde. Matenadaran ist das armenische Wort für Bibliothek. Das Gebäude wurde in einen Felsen hineingehauen, das Magazin atombombensicher erbaut. Und ich verirre mich rein zufällig hierher. Dazu treten meine Beine eine Anhöhe empor. Eigentlich suche ich die Kaskade. Aber so ohne Hilfe aus dem Internet verirre ich mich häufig. Das macht aber nichts, denn die Orte, die ich so entdecke, sind es allemal Wert, entdeckt zu werden. Um jedoch das Museum zu besuchen, ist es zu spät. Eine halbe Stunde nach meiner Ankunft schließt es seine Pforten. So schaue ich mich also vor dem Monument genauer um. Schulklassen verlassen das Gebäude, mehrere Fernsehteams begehen das Gebäude. Ganz schön was los an der Bibliothek, der auch die Atombombe nichts antun kann.






Moskau-Kino (Մոսկվա կինոթատրոն)
Dieses Kino ist eine Wucht. Dieses Gebäude ist eine Wucht. Und vor der Wucht der schlafende Springbrunnen mit den Tierkreiszeichen ist auch eine Wucht. So schön, dass der Ort noch Winterschlaf hält. So habe ich das Privileg, mir alles in Ruhe anzuschauen, ohne schmusende Liebespaare, eisverschlingende Teens, Touristen … der Platz und das Kino sind leer, die Sonne scheint. Ich setze mich auf eine Bank und beobachte die Menschen, die vorbeiziehen, schaue mir dann den Brunnen etwas genauer an, und dann endlich hinein in die brutalistisch sozialistische Wucht. Drinnen ist´s eine Mischung aus Kino, Café und Business. Aber ich habe gar kein Auge für Inhalte, bin ich doch sowieso nur am Gebäude interessiert. Ich nehme die Treppen hinauf, starre immer wieder an die schicke Decke, die Empore, den hübschen marmorierten Boden. Sofort möchte ich eine Zeitreisemaschine betreten, die mich in die 60- oder 70er Jahre des letzten Jahrhunderts zurückbringt, damit ich das Treiben damals beobachten kann. Da aber alle Zeitreisemaschinen gerade ausgebucht sind, nehme ich die Treppen auch wieder hinab und schlendere noch einmal über den nun schon von der Abendsonne erleuchteten Platz, an der Spinne vorbei und ziehe weiter.








Hauptbahnhof (Երևանի կենտրոնական կայարան)










Vernissage & andere Märkte (Վերնիսաժ և այլ շուկաներ)

Es gibt viel (ein) zu kaufen in Jerewan, wenn man dies will. Das Schöne ist, dass die Möglichkeiten noch wirklich breit gefächert sind: vom kleinen Obst- und Gemüseladen bis zum hochpreisigen Supermarkt, von Markthallen mit allerlei getrockneten Früchten, frisch gefangenem Fisch und geschlachtetem Fleisch über Flohmärkte bis hin zu Luxusgeschäften – alles dabei. Ein paar Mal schlenderte ich über den Flohmarkt Vernissage mitten im Zentrum. Wer sowjetische Devotionalien mag, ist hier genau richtig. Besonders attraktiv ist dieser Ort am Wochenende. Allerdings fand ich die Preise auf dem Flohmarkt viel zu hoch. Das dortige Preisniveau bewegt sich auf demselben wie hierzulande. Ein paar Mal hätte ich gerne etwas gekauft, ließ es aber dann doch bleiben. Nur ein paar Postkarten und Bücher wanderten in meinen Rucksack. Aber ich erinnere mich gerne an die Hot-Dogs, die in der Nähe in einem kleinen Bretterverschlag kredenzt wurden. Typisch osteuropäisch, wie ich sie auch aus der Ukraine kenne, und dazu spottbillig – so wie Straßenessen sein muss. Und, wenn man seine Augen aufhält, entdeckt man an einer unscheinbaren Ecke einen Trödler, bei dem es ziemlich günstige Wunderbarkeiten gibt zum mit-nach-Hause-nehmen.













Die Kaskade von Jerewan & Siegespark (Երևանի կասկադ և Հաղթանակի զբոսայգի)





Die Kaskade von Jerewan ist ein Treppenkomplex aus hellem Travertinstein, der sich im Zentrum über 572 Stufen einen Berghang emporstreckt. Der Entwurf stammt aus den 1930er Jahren, in den 1970ern ließ Moskau die Kaskade schließlich bauen, sie wurde jedoch nie ganz fertig, da die Sowjetunion unterging. Zu Beginn des neuen Jahrtausends kam Gerard Cafesjian aus Amerika, Sohn armenischer Emigranten, Geschäftsmann und Kunstsammler. Er stellte Boteros „Kater“ und einige andere Skulpturen auf und ließ im Inneren der Kaskade das erste große Museum für zeitgenössische Kunst im Kaukasus einrichten. Alexander Tamanyan, 1878 geboren und 1936 in Jerewan gestorben, war der Stadtplaner Jerewans. Er steht als Statue am Fuße der Kaskade. Das Monument des Alexander Tamanyan stellt einen über den Stadtplan Jerewans gebeugten Riesen dar, in langem Gewand, mit überdimensionierten Armen, die auf einem steinernen Tisch ruhen. Seitlich der Kaskade führen Rolltreppen nach oben, flankiert von Kunstwerken von Botero, Niki de Saint Phalle und vielen Künstlern und Künstlerinnen, die in der armenischen Diaspora leben und arbeiten.
Ich habe lange nach der Kaskade gesucht. Als ich sie dann endlich zum ersten Mal unter blauem Himmel sehe, bin ich völlig geflasht. Ich kann gar nicht genug hinschauen. So viel Kunst, so viele Treppen, so viele schlafende Bäume. Von allem viel, aber vor allem: Schönheit. Ich bin so zufrieden und bei mir. Aber die Stufen möchte ich nicht hinaufsteigen. (Ich ahne noch nicht, dass ich an diesem Tag noch sehr viele Stufen nehmen muss.) Also fahre ich mit den sowjetischen Rolltreppen, neben denen noch mehr Kunst zu sehen ist. Ich steige in jeder Etage einmal aus, betrete die Plattform und erkunde mich nach unten und oben. Als ich ganz oben ankomme, auf der fünften Plattform, traue ich meinen Augen nicht: Da steht die Skulptur „Three Divers“ von David Martin. Wow. Ich fotografiere sie von allen Seiten. Auch von den unsichtbaren. Ich bin magisch von den drei Skulptur-Personen angezogen und werde bei meinem Treiben von Eduard beobachtet. Er sitzt auf einer Bank, hält einen Kaffeebecher in der Hand, schaut auf den Ararat. Ich setze mich zu ihm. Auf Russisch fragt er mich nach meinem Befinden. Ich antworte mit meinem Schulrussisch. Wir sprechen nicht viel und dennoch spüre ich, dass wir uns mögen. Er bietet mir eine dünne Zigarette an. Sie heißt Ararat. Genau wie der Berg, auf den wir nun gemeinsam blicken.













Ich verabschiede mich von den Tauchern und Eduard. Es geht weiter nach oben, leider ohne Rolltreppen, sondern mit den Füßen – erst Treppen, dann Wege, dann wieder Treppen. Mein Weg führt mich zum Siegespark auf einem der Hügel von Jerewan. Das Riesenrad, das dort steht, hatte ich bereits von den Kaskaden aus gesehen. Früher liebte ich Riesenräder, vor allem als Kind. Jetzt, da das Riesenrad als touristische Verkaufsattraktion des Westens in jeder mittelgroßen und großen Stadt steht, hat es seinen Reiz auf mich irgendwie verloren. Aber neben dem Riesenrad hier in Jerewan steht auch Mutter Armenien, und für die war es unbedingt notwendig, die körperlichen Strapazen auf sich zu nehmen (zurück ins Zentrum werde ich mir ein Taxi gönnen). Mutter Armenien, die über die Stadt wacht – den 650.000 Armeniern gewidmet, die am Zweiten Weltkrieg teilnahmen, sowie den Soldaten des Bergkarabachkonflikts. Doch bevor ich die Riesin erreiche, komme ich noch an sogenannten „Lost Places“ vorbei, die durch die untergehende Sonne orange leuchten. Wenige Menschen sind hier oben unterwegs. Die Fahrgeschäfte stehen still. Manche werden gerade repariert. Es ist ruhig, und ich kann noch einmal in Ruhe auf den Berg Ararat blicken und stelle mir vor, wie hier im Sommer die Kinder sich des leichten Lebens erfreuen.













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