Herbst-Zeitz-Los Ende September
Posted by Antje Kröger Photographie on Okt. 02 2025, in Mensch, Welt

Neue (Zug)Reisegeschichten aus (ost)deutschem Land, mit dem Konvolut analoger Kameras, immer regelmäßig aktualisiert wird Leipzig, auch neue Orte kommen hinzu.
Zu diesem Zeitpunkt gibt es 9 Kapitel meiner 9-Euro-Ausblicke. Hier geht es zum Inhaltsverzeichnis:

Zeitz, Ende September 2025. Eine Stadt ohne Menschen, dafür Autos, die rumcruisen, und kleine Gangs aus jugendlichen Mopedfahrern, wie ich sie aus meiner Jugend kenne. Zeitz, ein schön sanierter Bahnhof, kaum Menschen. Einmal in der Stunde fährt ein Bummelzug aus Leipzig in die Stadt in Sachsen‑Anhalt, die einst geblüht haben muss. Die verfallenen Gründerzeithäuser stammen aus dieser Blüte. Manche hoffen ja tatsächlich, dass Zeitz vor dem Aussterben gerettet werden kann. Ich glaube das nicht. Habe in den letzten Jahren so viele dieser mittelgroßen Oststädte besucht. Überall quält sich die Strukturlosigkeit, und die Veralterung der Einwohnerinnen schlängelt sich durch den Alltag. So wie Detroit und Cleveland in den USA, nur eben in der ehemaligen DDR. Keine Jobs, wenig Kunst und Kultur, und etwas zu essen suchte ich an einem Samstag auch ohne Ergebnis. Was nützt die „schöne Natur“, was nützen ehemalige Schlösser und Fabriken, die nun Museum sind, Kirchen, die saniert werden, und eine alte Fabrik als Co‑Working‑Platz, wenn die Menschen, die in Zeitz leben müssen, keine Zukunftspläne mehr haben, weil sie nur einen ruhigen Lebensabend genießen wollen, die billige Miete brauchen oder ihr abbezahltes Häuschen nun auch nutzen wollen? Leben ohne Utopie. Leere. Vereinsamung. Rassismus. Wirtschaftlicher Exodus. Schade.
Vor der ehemaligen Orangerie, die jetzt eine Schnitzelmanufaktur ist, schaut ein Alter sich um. Schließlich setzt er sich zu mir. Wir kommen ins Tratschen über das Leben im Allgemeinen, über die Fotografie im Speziellen. Er erzählt mir von seiner Hasselblad, für die er einst 10.000 DM bezahlt hatte. In seinem früheren Leben baute er kleine Brauereien in Bayern auf, machte das Marketing dafür selbst, also auch die Fotografie. Er fragte mich ganz neugierig, wo ich denn meine Filme entwickeln lasse und wo ich meine Vergrößerungen anfertigen lasse. Er hätte aufgehört zu fotografieren, als alles digital wurde. Irgendwann rief ihn seine Verwandtschaft, denn sie feierten den 90. Geburtstag seines Bruders. Er musste zurück zu seinen Menschen, schaute mich an und lächelte: „Schön, dass ich Sie getroffen habe, wenn ich wieder am Chiemsee bin, werde ich die Hasselblad wieder herausholen!“















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